Maria Weller, Ehefrau von Boxprofi René Weller: „Ohne Hilfe von DRK und UNO wäre ich inhaftiert worden“
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(Bückeburg/Pforzheim) In bester Tradition hat Sven Lampe, Vorsitzender des DRK-Ortsvereins Bückeburg, jüngst wieder prominente Persönlichkeiten kontaktiert und um Unterstützung fürs ehrenamtliche Engagement der Mitglieder gebeten.

Bei einer ähnlichen Aktion vor zwei Jahren kam so der Kontakt mit dem ehemaligen Michael-Jackson-Manager Dieter Wiesner zustande. Dieser überreichte mehrere wertvolle Gegenstände, die daraufhin bei einer Auktionsplattform für den guten Zweck versteigert werden konnten.

Die jetzige Kontaktaufnahme führte Lampe zum Ex-Boxprofi René Weller. Der heute 67-Jährige kann auf eine langjährige Karriere zurückblicken und hat zahlreiche Titel im Amateur- und Profibereich gewonnen. Von 72 bestrittenen Profikämpfen gewann er 70, er kam allerdings auch mit dem Gesetz in Konflikt und verbüßte eine Haftstrafe.

Maria und René Weller (Foto: Agentur Weller)

Wellers Ehefrau Maria las die E-Mail von Sven Lampe und erinnerte sich beim Anblick der DRK-Signatur an ihre Kindheit und Jugend, die sie unfreiwillig in der DDR verbringen musste und wie sie dank des Deutschen Roten Kreuzes nach vielen Jahren endlich ausreisen durfte. Durch Lampes Kontaktaufnahme entwickelte sich ein Kontakt mit Bezug zur Region Schaumburg. Ihre Erlebnisse aus der Kindheit und die beschwerliche Ausreise schilderte Maria Weller jetzt gemeinsam mit Ehemann René in einer telefonischen Pressekonferenz.

Maria Dörk, 1952 in Stadthagen geboren und in Bückeburg aufgewachsen, verbrachte die Ferien regelmäßig bei ihrer Tante und ihrem Onkel im Kreis Köthen in der ehemaligen DDR. So auch im schicksalshaften Jahr 1961, als im August mit der Grenzschließung und dem Bau der Mauer bekanntgegeben wurden. Über Nacht war das neunjährige Mädchen plötzlich hinter dem „eisernen Vorhang“ gefangen.

Aus der Bundesrepublik Deutschland bekam sie regelmäßig Pakete mit Kleidung geschickt. Dadurch fiel sie in ihrem Umfeld stark auf. Ihre Mitschüler wurden eifersüchtig und stempelten sie zur Außenseiterin und Einzelgängerin ab, zerschnitten immer wieder ihre Pullover. „Wer in der DDR auffällig war, wurde schikaniert“, erinnert sie sich heute.

Im Jahr 1967 begann sie eine Friseurlehre, fünf Jahre später bekam sie einen Posten im staatlichen Rechenzentrum der Bahn in Halle an der Saale. Als sie 1974 von der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in Helsinki erfuhr, bei der die Möglichkeit von Familienzusammenführungen beschlossen wurde, stellte sie einen Ausreiseantrag beim Rat der Stadt Halle. Allerdings fehlte die Geburtsurkunde und weitere Unterlagen. Das hatte Folgen. Die Ausreise kam nicht voran. Auf der Arbeit gab ihr Chef zu verstehen, man könne keine Mitarbeiter „mit West-Koller“ gebrauchen. Sie wurde versetzt. Die Stasi interessierte sich plötzlich stark für die junge Frau mit Ausreisewunsch, verhörte sie und nahm ihr den Ausweis weg. Stattdessen gab es ein Dokument namens „PM 12“, erinnert sich Dörk. Damit war ihr Bewegungsradius stark eingeschränkt, sie durfte die Stadt nicht verlassen. Würde sie trotzdem dabei erwischt, drohte man ihr mit Verhaftung.

In der Zwischenzeit lernte Maria Dörk einen attraktiven, jungen Mann kennen. Er war Zahnarzt und führte sie zum Essen aus. Sie fühlte sich geschmeichelt. Bis sie verstand, was dahintersteckte: Die Bekanntschaft entpuppte sich als Stasi-Spion, der sie auf mögliche Fluchtpläne aushorchte.

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In der Stadtverwaltung gab ihr jemand einen riskanten Tipp, es einmal im Außenministerium in Berlin zu versuchen. Da ihre Post kontrolliert wurde, bat sie eine Freundin, einen Brief an ihre Mutter aufzusetzen und sie darin zu bitten, Kontakt mit der UNO aufzunehmen. Das tat sie – und schaltete auch das Deutsche Rote Kreuz in Stadthagen ein. Gemeinsam kümmerte man sich um alle nötigen Papiere, Urkunden und die entsprechenden Beglaubigungen.

In der Zwischenzeit unternahm die verzweifelte Maria eine riskante Zugfahrt nach Berlin, schaffte es im Außenministerium vorbei an den Soldaten ins Innere des Gebäudes, wo sie einem Bediensteten ihre Leidensgeschichte erzählen konnte. Dieser garantierte ihr, man werde sich innerhalb von zwei Wochen bei ihr melden. Eine Ausnahmebescheinigung gab es mit auf den Weg.

Bereits eine Woche später, so schildert sie, wurde sie von der Polizei aufgefordert, das Land noch am gleichen Tag bis Mitternacht zu verlassen, von jetzt auf gleich. Sie konnte es kaum fassen, musste allerdings noch binnen kürzester Zeit etliches an Formalitäten erledigen, ihre Sachen packen und ihre Papiere bei der Polizei abgeben. „Auf der Polizeistation würdigte man mich keines Blickes“, erinnert sich Weller, „der Beamte sagte nur ´hauen Sie ab´“.

Im Zug nach Hannover kam es zur letzten, unangenehmen Begegnung mit einem Beamten der DDR-Grenzpolizei, der ihr sämtliche Fotos und Dokumente abnahm. Der nächste Polizist – die Beamten hatten sich im Zug abgewechselt – stand bereits in Diensten der BRD, begrüßte und beruhigte die Frau.

(Copyright: René Weller)

In Hannover angekommen, verbrachte sie die erste Nacht in der Bahnhofsmission und wurde am nächsten Tag zu ihrer Mutter nach Barsinghausen gebracht. „Dort wartete die BILD-Zeitung bereits für ein Interview“, erinnert sich Weller. 1976 lernte sie in der Discothek „Joy“ ihren heutigen Ehemann René Weller kennen. „Ein wunderschöner Mann im bordeauxfarbenen Lederanzug, gebräunt, geföhnte Haare und ein strahlendes Lächeln – das konnte nur ein Zuhälter sein“, lacht Maria Weller. Dennoch fanden die beiden zueinander und trennten sich wieder. „Fremdgehen war für ihn selbstverständlich“, erinnert sie sich. Was sie damals nicht ahnte: Das Herz des Box-Profis schlug nur noch für Maria Dörk. Fast 28 Jahre lang rief er immer wieder bei ihr an. Sie legte jedes Mal auf. Dann kam der große Moment: „Am 26.11.2003 stand er plötzlich in Isernhagen vor meiner Tür. ´Du hast Dich gar nicht verändert´ sagte er, ´jetzt heiraten wir´“. Bis zum Ja-Wort dauerte es allerdings noch eine ganze Weile. Am 21.11.2013 heirateten sie und leben inzwischen in Pforzheim.

René Weller betreibt dort eine Boxschule. Der Ex-Boxprofi trainiert nach wie vor jeden Tag, spielte in den Filmen „Macho Man“ und „Macho Man 2“ mit und war mit seiner Frau in zahlreichen TV-Formaten zu Gast. Ein weiterer Teil der „Macho Man“-Filmreihe sei für dieses Jahr geplant, verrät Maria Weller.

Sven Lampe hat das Paar inzwischen zur Landpartie oder den Weihnachtszauber auf Schloss Bückeburg. In Pforzheim packt man unterdessen ein Paket für den DRK-Ortsverein in der ehemaligen Residenzstadt. Signierte Boxhandschuhe und ein Buch machen sich auf den Weg in den Norden. Den Hilfsorganisationen ist Maria Weller auch nach all den Jahren noch sehr dankbar: „Wenn sich das DRK zusammen mit der UNO nicht für mich eingesetzt hätte, wäre ich inhaftiert worden“. (vu/Fotos: René Weller)

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