Unmut über Planungen für die Innenstadt: Stadt erklärt Baumfällungen in Bückeburg
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(Bückeburg) Schon länger regt sich der Widerstand gegen die geplante Fällung der Kaiserlinden in der Bückeburger Innenstadt.

Zwar sollen diese durch neue Bäume und Sitzquartiere ersetzt werden und zu einer Aufwertung der Stadt führen, vielen erschließt sich der Sinn hinter der Maßnahme jedoch nicht. Diesem Unmut machen sich nun einige Luft – eine am Wochenende gestartete Unterschriftenaktion für den Erhalt der Linden stößt auf große Resonanz. Der Protest ist auch im Rathaus angekommen, sodass die Verwaltung spontan in einer Pressekonferenz Stellung zu den Planungen bezog.

Kritik aus den eigenen Reihen

Ins Leben gerufen wurde der papiergewordene Protest unter anderem von Karl-Heinz Soppe, seinerzeit Leiter des Bückeburger Bauamtes und mitverantwortlich für die damalige Innenstadtsanierung und somit auch für die Pflanzung der Kaiserlinden vor rund 30 Jahren hat, sowie weiteren aus der städtischen Politik bekannten Gesichtern, wie die ehemaligen Bürgermeister Edeltraut Müller und Reiner Brombach.

Auch der Verein Landschaftsschutz Schaumburg e.V. und “Wir lieben Bückeburg” unterstützen das bürgerschaftliche Engagement gegen die Fällung der Linden. „Die Aufenthaltsqualität unserer Fußgängerzone kommt ganz wesentlich von den schattenspendenden Linden. Ohne diese wäre die Lange Straße bestenfalls wieder eine steinerne Achse mit einigen Jungbäumen, die kaum Schatten und wenig Sauerstoff erzeugen. Und auch für ein solch dürftiges Ergebnis wären enorme Mittel ausgegeben worden. Das geradezu irrwitzige Fällen von weitgehend gesunden Großbäumen muss unter den Gesichtspunkten von Natur- und Klimaschutz und auch von Kultur, Freizeit und Tourismus unterbleiben“, fordert die Initiative in einer Pressemitteilung. Sie vermissen den Dialog mit den Bürgern und eine klare Position von den Grünen, dem Bürgermeister und dem Citymanager. Die Fördergelder könnten besser für die Innenstadt investiert werden, etwa in die Beseitigung der Leerstände.

Der Protest ist auch der Verwaltung zu Ohren gekommen: Mit Bauamtsleiter Sassenberg (re.) erklären die Verantwortlichen die Maßnahme und Zweck dahinter, um mit der mangelnden Transparenz aufzuräumen.

Stadt erklärt sich

Dass offensichtlich Erklärungsbedarf herrscht, ist auch in der Verwaltung angekommen, sodass diese sehr spontan zu einer Pressekonferenz ins Rathaus lud. „Den Bürgern scheint die Transparenz zu fehlen, den Schuh müssen wir uns nun ein Stück weit anziehen“, so Verwaltungschef Axel Wohlgemuth. „Wir hätten früher eingreifen und informieren sollen“. Zwar wurden die Planungen in den Ausschüssen und durch einen Facebook-Post öffentlich gemacht, dennoch fehle es vielen an tiefergehenden Informationen.

„Derzeit werden viele Fehlinformationen verbreitet“, sagt Bauamtsleiter Björn Sassenberg. In Anwesenheit der Fraktionsspitzen erklärten Bürgermeister, Bauamtsleiter und Reiner Wilharm von der Wirtschaftsförderung die Notwendigkeit und den Hintergrund der Maßnahme, die bereits 2020 ihren Anfang mit ersten Überlegungen nahm. Diese seien im Sommer 2021 in ersten Planungen resultiert, mit dem Zweck, die Baumquartiere zu verbessern und aufzuwerten. „Wir wollten den Bäumen etwas Gutes tun“, blickt Sassenberg zurück. „Die Stadt und auch die Stadtbäume haben für uns einen hohen Stellenwert“, stellt Wohlgemuth heraus. In die derzeitigen Planungen wurden auch die Anlieger, die Geschäftstreibenden und das Stadtmarketing involviert. An zwei Tagen wurden die Planungen vor Ort mit den Anliegern besprochen. Auch mit dem NABU und dem Seniorenbeirat seien Gespräche geführt worden. Dennoch hätten sich danach im Laufe der Planungen Zweifel eingestellt, ob der Erhalt der elf Linden sinnvoll sei.

Problematik im Boden

„Die Problematik liegt im Untergrund, sodass sie nicht offensichtlich ist und daher auch für viele unverständlich“, versucht Sassenberg zu erklären. Die Beurteilung des Zustands der Linden oblag der Experten im Haus, die sich bereits seit langem mit dem Zustand der Bäume auseinandersetzen würden. Ein externes Gutachten habe es nicht gegeben.

Als die Linden vor 30 Jahren gepflanzt wurden, wurden sie einfach auf die noch vorhandene, alte Packlage der B65 gesetzt. Demnach haben die Wurzeln nie den Platz bekommen, den sie eigentlich benötigen und haben sich dann in die Breite und nach oben ausgeweitet – das führe auch zu den bekannten Stolperfallen, die immer wieder vom Bauhof ausgebessert werden müssen. Die Baumscheiben hingegen seien nach heutigem Wissen zu klein, durch die Ebenerdigkeit komme es zudem zu einem nicht unerheblichen Salz- und Urineintrag, so Sassenberg weiter. Dieser habe unter anderem bei der Linde vor dem Braukeller zum vorzeitigen Tod geführt, dieser Baum wurde gefällt und durch einen neuen, kleineren ersetzt.

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„Die neuen Baumquartiere werden mit der zehn Zentimeter Kante nach oben gesetzt, sodass weniger Eintrag an die Bäume kommen wird“, erläutert Sassenberg weiter. Egal wie es weitergehen würde – ob die Linden erhalten bleiben sollten oder neue Bäume gepflanzt werden sollen – wenn es Stadtbäume weiter geben soll, ist eine Überarbeitung des Untergrundes notwendig. „Der Untergrund ist dicht“, so die Verantwortlichen. Das mache auch die Maßnahme so teuer.

Die Linden prägen seit 30 Jahren das Gesicht der Innenstadt – die Bürger hängen an den Bäumen und können die Sinnhaftigkeit hinter der Maßnahme nicht nachvollziehen.

Wirtschaftliches Risiko

Im großen Radius muss der Boden ausgehoben und die Packlage entfernt werden – wenn die Linden verbleiben würden, käme man jedoch nur partiell und händisch an die Packlage, könne nur Teile entfernen, mit dem weiteren Risiko, die Wurzeln der eh schon gestressten Bäume weiter zu beschädigen. „Wir würden dann das viele Geld investieren, mit dem großen Risiko, dass die zwar vitalen, aber gestressten Bäume diese Prozedur nicht überleben oder eben in den nächsten Jahren eingehen“. Die Kosten für den Versuch des Erhalts der Linden oder aber der Neuanpflanzung, jeweils mit den nötigen Untergrundarbeiten, hielten sich in der Waage, versichern Wohlgemuth, Wilharm und Sassenberg. Die Fördermittel seien jedoch nicht, wie viele derzeit munkeln, an die Fällung der Linden geknüpft, sondern sind für die Maßnahme Baumquartiere genehmigt worden – beide Varianten könnten damit also finanziert werden.

„Verantwortlich mit Fördergeldern umgehen“

„Das ist auch eine wirtschaftliche Frage. Wir müssen verantwortungsvoll mit den Fördergeldern umgehen. Wenn wir diese nun für den Erhalt der Linden ausgeben, diese jedoch nicht überleben, ist die Fördersumme verschenkt. Mit den Neuanpflanzungen haben wir ein geringeres Risiko und wesentlich größere Erfolgschancen, um nach Ende der Maßnahme in drei Jahren wieder ein einheitliches Stadtbild zu erhalten“. Dieses würde nach Erwartungen der Stadt bei partieller Entnahme der Linden, eben wenn diese am Lebensende angelangt seien, die Folge sein. „Dann sieht es irgendwann aus wie Orgelpfeifen – kleine, große, alles durcheinander“, versucht Sassenberg die Problematik zu verbildlichen.

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht danach aussehe, sei diese Maßname langfristig auf Nachhaltigkeit angelegt. „Wir schaffen damit ein gutes Klima für die nächsten Generationen“, so Sassenberg. Durch die Kombination zweier Baumsorten könne das Maximum an Artenvielfalt erreicht werden, eine größere Fläche würde entsiegelt und mit ökologisch sinnvollen Unterpflanzungen könne auch im Untergrund etwas für die Artenvielfalt getan werden.

Maßnahme soll im Herbst starten

Schlussendlich sei der Beschluss zur Fällung im Februar einstimmig geschlossen worden und von allen (außer den Freien Wählern, die nicht stimmberechtigt sind) mitgetragen worden. „Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagen die Parteispitzen Iris Gnieser (CDU), Wilhelm Klusmeier (Grüne) und Sandra Schauer (SPD). Dennoch sei diese Variante die langfristig nachhaltigste mit dem geringeren wirtschaftlichen Risiko. Im nächsten Klima- und Umweltausschuss solle sie erneut öffentlich vorgestellt werden, zudem soll über das Internet und die sozialen Kanäle weiter aufgeklärt werden.

„Wir wollen den Bürgern die Möglichkeit geben, ihre Meinung kundzutun“, so der Bürgermeister. Der erste Bauabschnitt, vor dem Braukeller und dem Blumengeschäft, soll zwischen Herbst- und Weihnachtsmarkt starten. Die dortigen Linden, laut Angaben der Verwaltung rund 14 Meter hoch, werden durch acht bis zehn Meter hohe Amber- und Feldahorn-Bäume ersetzt, die Quartiere vergrößert und die Sitzgelegenheiten angelegt. Diese Bäume werden von der Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz (GALK) unter anderem empfohlen, basierend auf Langzeitstudien zu Stadtbäumen.

Diese Maßnahme wird gefördert, für die weiteren Bauabschnitte in 2023 und 2024 werden jeweils 110.000 Euro aus der städtischen Kasse fällig. Übrigens – für die Außengastronomie des Braukellers sei nun ein Kompromiss gefunden worden: Hier hat die Verwaltung ihre Planungen angepasst. Die Umrandung wird nicht um das gesamte Quartier, sondern um die einzelnen Bäume angelegt, sodass dazwischen ein ebenerdiger Bereich entsteht, auf dem die Außengastronomie ihren Platz finden wird, erklärt Björn Sassenberg.

(Text & Fotos: Nadine Hartmann)

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