„Erweiterungspläne sind ein ´Ja´ zu Bückeburg“: 200 Besucher bei Info-Veranstaltung zu Bauerngut-Plänen
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(Bückeburg) Lange wurde darauf gewartet und es auch explizit eingefordert, nun war der Tag gekommen. In einer großen Informationsveranstaltung stellten die Stadt Bückeburg, der Landkreis Schaumburg und die Firma Bauerngut die Erweiterungsplanungen des Unternehmens sowie die notwendigen Verfahrensschritte vor.

Zudem konnten die anwesenden Bürger Fragen an die Referenten zu stellen.

Rund 200 Bürger durften in den Saal, die übrigen Interessierten verfolgten die Veranstaltung teils von den Seiteneingängen.

Voll besetzter Saal

Bereits weit vor Start der Veranstaltung um 18 Uhr war der Große Rathaussaal nahezu voll besetzt, als die Zuschauerzahl im Saal und auf der Empore die 200 erreichte, musste der Einlass gesperrt werden. Zahlreiche weitere Gäste folgten der Veranstaltung von den Seiteneingängen aus. Seit Bekanntwerden der Planungen für einen Erweiterungsbau der Firma Bauerngut erregten diese die Gemüter. „Wir behandeln heute das Thema, das Bückeburg seit Wochen elektrisiert hat. Das weitere Vorgehen ist an rechtliche Vorgaben geknüpft, an die wir uns strikt halten“, so Bürgermeister Reiner Brombach einleitend. Moderiert wurde die Veranstaltung von Tanja Dornieden, die sich von Publikum und Referenten ein faires Spiel wünschte. „Wir versuchen die verschiedenen Akteure an einen Tisch zu bekommen und hinterher mit mehr Wissen und Verständnis herauszugehen“.

Die Vertreter des Landkreises Schaumburg: (Von links) Martina Engelking, Leiterin der Unteren Naturschutzbehörde, Kreisdezernentin Andrea Stüdemann und Landrat Jörg Farr.

Unterschiedliche Belange abwägen

Knackpunkt in der Diskussion um die Planungen ist die anvisierte Fläche im Landschaftsschutzgebiet (LSG) Bückeburg West/Sandfurth, die nach umfangreicher Alternativenprüfung ausgewählt wurde. Prämisse für diese Entscheidung war unter anderer der Bedarf nach unmittelbarer Nähe zum Hauptwerk, die Verfügbarkeit sowie eine Vorbetrachtung mit Behörden wie Naturschutz, Landesstraßenbauamt und Bundeswehr, wie Björn Sassenberg, Fachgebietsleitung Planen und Bauen, erläuterte. In der Abwägung werden Wohn- und Arbeitsverhältnisse, Orts- und Landschaftsbild, die Belange von Umweltschutz, Wirtschaft und Arbeitskräfte betrachtet.

Björn Sassenberg, Fachgebietsleitung Planen und Bauen bei der Stadt Bückeburg.

„Kriegen wir die Waage zum Ausgleich oder wird ein Aspekt über den anderen überwiegen“, sei die grundlegende Frage, so Sassenberg. „Jede Variante hat Vor- und Nachteile auf verschiedene Faktoren – insbesondere eine Gesamtverlegung des Standortes“, stellt er klar. Die eingegangenen 700 Stellungnahmen seien größtenteils wortgleich gewesen, inhaltlich wurden Themen angesprochen wie das Landschaftsbild, Lärmauswirkungen, Begehrlichkeiten anderer Betriebe, Infragestellung der Fleischproduktion, der Alternativensuche, der Energieverbrauch, aber auch zu den Arbeitsplätzen und deren Erhalt.

Zahlreiche Gutachten liegen bereits vor. Eine Sorge der Projektgegner gilt dem Grundwasser. Das Gutachten habe jedoch ergeben, dass das Grundwasser nicht dauerhaft abgesenkt werde und somit auch die Hofwiesenteiche in keinster Weise vom Bau betroffen wären. Das Artenschutzgutachten habe ergeben, dass für zwei Feldlerchenpaare eine passende Ausgleichsfläche gesucht werden müsse.

Kapazität im Werk erreicht

Bauerngut-Geschäftsführer Klaus Jeinsen erläuterte die Beweggründe der Planungen: Die Kapazitätsgrenzen im Hauptwerk seien lange erreicht. Um weiter wettbewerbsfähig für die Zukunft zu bleiben, sei eine Erweiterung der Produktions- und Lagerfläche zwingend notwendig. „Wir machen Kapriolen von links nach rechts und können uns nicht mehr vernünftig bewegen“, so Jeinsen. Die Nähe des Hochregallagers (HRL) zur Produktionsstätte sei zwingend notwendig, da zu den unterschiedlichsten Zeiten verschiedenste Bestellungen getätigt würden und zur Wahrung von Qualität und Sicherheit alle Rohstoffe zeitnah verarbeitet werden müssen.

Bauerngut-Geschäftsführer Klaus Jeinsen und Ausbilderin Jeanette Kozak.

Dabei schwanken die Auftragsmengen stark und unregelmäßig, besonders zu Feiertagen kann sich die Produktion so kurzfristig verdoppeln. Das HRL würde zudem die LKW-Fahrer entlasten, die nun mit einem LKW beide Standorte anfahren könnten. Das Bestandsgeschäft, das bereits heute nicht nur Wurst- und Fleischwaren, sondern auch Käse sowie vegane, vegetarische und Bio-Produkte umfasst, kann so ausgebaut und erweitert werden. „Allein in den letzten 10 Wochen haben wir 600.000 Halloumi-Spieße gefertigt und werden künftig verstärkt Bio- und vegane Produkte produzieren. Derzeit mache der Bio-Bereich zwei Prozent der Produktion aus, die Umstellung der Landwirtschaft darauf benötige noch etwas Zeit. „Lieber heute als morgen würden wir auf Haltungsstufe 1 verzichten“, so Jeinsen. Auch die Arbeit mit regionalen Landwirten soll weiter verstärkt werden, die dann direkt bei Bauerngut anliefern und sich somit die Anfahrten an Einzelhändler sparen könnten.

Bis zu 230 Arbeitsplätze entstehen

Dabei soll das Lager, das doppelt soviel Fläche bietet wie das bisherige, entgegen der Annahme einzelner Kritiker, zu mindestens 85 Prozent für direkt im Werk am Hasengarten produzierte Produkte genutzt werden. Dabei werden im HRL zunächst 80, später bis zu 230 neue Arbeitsplätze zu den über 800 vorhandenen geschaffen. Zudem machte sich der Geschäftsführer die Mühe, die von den Kritikern von „Wir lieben Bückeburg“ in einem verbreiteten Flyer gemachten Behauptungen zu widerlegen: Es würden täglich 130 LKW das Lager in Zeitfenstern hintereinander anfahren, sodass keinerlei Rückstau entstehe. Daher seien auch keine 100 Parkplätze notwendig, da die LKWs schnell abgefertigt werden, auch im Sinne der Frische. Auch ein Tankhof wird nicht gebaut werden: „Edeka besitzt keinen und fängt damit auch nicht an“, so Jeinßen. Die bereits vorhandene Tankstelle auf dem Gelände sei ausreichend.

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Zu den im Umlauf befindlichen Vorwürfen nahm Bauerngut in seiner Präsentation Stellung.

Die Lärmemission werde sich nicht ändern: „Wir haben bei unseren Auflagen in zehn Jahren keine Beanstandung bekommen“. Von tagheller Beleuchtung könne keine Rede sein, da diese komplett auf LED umgestellt wurde, das Unternehmen strengen Energie- und Umweltauflagen unterliegt und dementsprechend regelmäßig geprüft wird. Eine Verlagerung des Hauptwerkes neben das Hochregallager oder der Bau eines Schlachthofes seien auch zu keiner Zeit angedacht. „Wir schlachten nicht bei Edeka und planen das auch nirgendwo“. Mit der Fläche könnte das Unternehmen sehr lange, mindestens 30 Jahre, hinkommen und zukunftsweisend arbeiten.

Sorge um das Landschaftsschutzgebiet

Martina Engelking, Leiterin der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises, sowie Landrat Jörg Farr und Kreisdezernentin Andrea Stüdemann erläuterten das Verfahren zur Teilaufhebung und gingen auf zahlreiche Fragen bezüglich des verbleibenden LSGs ein (wir fassen an dieser Stelle die Fragen und Antworten zu besseren Lesbarkeit zusammen, Anm.d.Red.): Eine vom Kreistag gefasste Entscheidung wäre nicht durch eine höhere Instanz abänderbar, sondern eigentlich „das Ende der Entscheidungskette“. Daher würden die Belange besonders genau geprüft und sich von der Politik sachgerecht damit auseinandergesetzt. Wenn beispielsweise ein Nutzungsbedarf über dem Schutzbedarf bewertet wird, kann dieser für diese Fläche ausgesetzt werden, dafür muss aber dieser Landschaftseingriff wieder ausgeglichen werden. Auch ein Bürgerbegehren könne einen politischen Beschluss nicht kippen.

Martina Engelking, Leiterin der Unteren Naturschutzbehörde: „Die letztendliche Entscheidung ist eine politische, die auf einer genauen Betrachtung der Belange und Planungen beruht“.

Eine partielle Zerstückelung des weiteren LSGs wäre nicht einfach so möglich oder durch das derzeitige Verfahren vereinfacht, für jede (Teil-)Fläche wäre ein erneutes Verfahren mit den erwähnten Schritten notwendig. Ob das umliegende Gebiet in seiner Schutzbedürftigkeit beeinflusst werde, könne nicht zur Sicherheit beantwortet werden, es sei aber bisher kein einziger derartiger Fall vorgekommen. „Wir plädieren dafür, auch nur das Gebiet freizustellen, was unbedingt nötig ist“, stellte Stüdemann klar. Von einer pauschalen Verschlechterung des restlichen Gebiets sei nicht auszugehen. Doch ein Bestandsschutz mit „Ewigkeitscharakter“ könne dort auch nicht etabliert werden.

Moderatorin Tanja Dornieden vom Kommunikationsbüro KoKo führte durch den Abend und fasste Fragen und Diskussionspunkte zusammen.

Ton wird rauer

Zum Ende der dreistündigen Veranstaltung wurde der Ton etwas rauer, und die Fragen, zumeist der Kritiker, wiederholten sich. Unterstellungen ihrerseits, dass Bauerngut und Edeka die Stadt erpressen würden, wurden mit aller Deutlichkeit zurückgewiesen. „Das ist eine unternehmerische Entscheidung, das Wort Erpressung möchte ich hier streichen“, stellte auch Moderatorin Dornieden klar: „Bauernguts Planungen sind auch ein Ja zu Bückeburg“. Das bestätigte auch die Wortbeiträge einiger Bauerngut-Mitarbeiter, die neben ihrer eigenen Verwurzelung in der Region auf die zahlreichen verknüpften Handwerksbetriebe, Lieferanten, Gastronomiebetriebe, Landwirtschaft und viele weitere verwiesen. Sie alle wären von einem Weggang Bauernguts wirtschaftlich betroffen. Der Vorschlag aus dem Publikum, Bauerngut solle doch auf Aufträge verzichten und einfach weniger produzieren, wurde durch die anwesenden Bauerngut-Mitarbeiter und weitere Zuhörer mit Buh-Rufen und Gelächter honoriert.

Bürgermeister Reiner Brombach versuchte zu vermitteln, wurde aber auch sehr deutlich: „Haben Sie das Vertrauen, dass wir den Eingriff so gering wie möglich halten“.

Mitarbeiter sorgen sich

Jeinsen und Bauerngut-Ausbilderin Jeanette Kozak boten Paroli und machten auf die Belange der zahlreichen Mitarbeiter aufmerksam: „Unsere Mitarbeiter sehen die Problematik, aber haben auch große Sorge um ihre Arbeit. Eine mögliche Verlegung träfe uns wie ein Schlag ins Gesicht. Viele haben hier ihren Lebensraum, Häuser und Familien. Dass so viele Märchengeschichten über uns erzählt werden, ist hingegen nicht so toll. Bauerngut tut alles, um die Planungen anzupassen und in jeder Erweiterung kann man auch die positiven Dinge sehen. Bauerngut und die Mitarbeiter sollen hier bleiben“, so Kozak, und erntete dafür tosenden Applaus. „Die Belange der Mitarbeiter und Bedürfnisse der Kunden sind für uns ausschlaggebend. Die Menschen machen das Geschäft, und ich habe tolle Menschen da!“, bekräftigt auch Jeinsen abschließend.

Landrat Jörg Farr beantwortete zahlreiche Fragen zum Landschaftsschutzgebiet und verdeutlicht: „Die Politik wird sehr genau abwägen.“

(Text: nh, Fotos: vu)

Info: Bauleitverfahren und Teillöschung Landschaftsschutz

Im Zuge des Bauleitverfahrens (BLV) ist die Änderung des Flächennutzungsplans und die Aufstellung eines Bebauungsplanes notwendig. Hierfür muss die Fläche aus dem Landschaftsschutzgebiet entlassen werden, dieses Verfahren wurde parallel beim Landkreis beantragt. Anfang Juli fiel der Kreistagsbeschluss zur Einleitung der Teillöschung dieser Fläche aus dem LSG.

Das BLV startet mit dem Aufstellungsbeschluss, in dem Geltungsbereich und Zweck der Planung formuliert werden. Anschließend folgte die frühzeitige Beteiligung der Bevölkerung, die Stellungnahmen einreichen konnte, sowie der Träger der öffentlichen Belange wie Naturschutz- und Denkmalschutzbehörde. Dies wird aktuell zusammengefasst und analysiert. Die Beiträge können zu Änderungen der Planungen führen, erst wenn diese endgültig abgeschlossen sind, alle Gutachten vorliegen und Ausgleichsmaßnahmen festgelegt sind, findet eine erneute öffentliche Auslegung für die Bürger statt. Dann würde der Satzungsbeschluss folgen, der durch den Bau- und Umweltausschuss, den Verwaltungsausschuss und anschließend den Rat der Stadt abgesegnet werden muss. Mit der anschließenden Bekanntmachung wird dieser rechtskräftig.

Für die partielle Aufhebung des Landschaftsschutzes für die Einzelfläche müssen ebenfalls diverse Kriterien abgewägt werden, wie Martina Engelking, Leiterin der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Schaumburg, erläutert. Da die Festsetzung des Bauleitplans mit den Schutzzwecken des LSG nicht vereinbar seien, muss die Verordnung entweder geändert oder aufgehoben werden. Wenn sachliche Gründe oder bestimmte Nutzungsbelange eine Änderung rechtfertigen, kann ein Verfahren eingeleitet werden. Am 21. April wurde von der Stadt Bückeburg ein entsprechender Antrag gestellt, der Kreistag hat den Beschluss für die Einleitung der Teillöschung des Gebiets aus dem Landschaftsschutz gefasst. Voraussetzung für das Verfahren ist die Weiterverfolgung der Planungen sowie ein Aufstellungsbeschluss. Auch in diesem Verfahren werden Belange ähnlich dem BLV abgewägt und die Öffentlichkeit beteiligt, eine öffentliche Auslegung folgt. Diese Unterlagen stellen die Grundlage für eine Entscheidung dar, unter anderem wird die Betroffenheit des gesamten Schutzgebietes bewertet. „Aber abschließend muss die Politik entscheiden, wie die Belange abgewägt werden.“

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