Maik Beermann zur Diskussionskultur in Corona-Krise: „Kritik ist wichtig – denn sie schützt unsere Demokratie“
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Der heimische Bundestagsabgeordnete Maik Beermann (CDU) schaltet sich in die Debatte um die Diskussionskultur in Zeiten der Corona-Krise ein. Er wirbt um eine Mäßigung im Ton der Debatten, für mehr Verständnis auf allen Seiten und er zeigt auf, dass die Gefahr für die Demokratie nicht von kritischen Bürgern ausgeht, sondern vom Aufbau von Feindbildern und der Verbreitung von ungeprüften Informationen. Er bezieht Stellung zur Motivation der Politik Einschränkungen zu beschließen:

„Immer öfter muss ich leider in den vergangenen Jahren feststellen, dass die politische aber auch gesellschaftliche Debattenkultur in Deutschland scheinbar nur noch in Extremen denken kann und teilweise geradezu vergiftet ist. Eine sachliche Debatte scheitert bereits am Willen der Beteiligten, zu akzeptieren, dass es mehr als eine Lösung geben und manchmal der kleinste gemeinsame Nenner besser als keine Lösung ist. Schlimmer noch: Man einfach im Unrecht sein könnte.

Dieses Phänomen beobachte ich durch alle Gesellschafts- und Bildungsschichten hindurch und ärgere mich, wenn ich mich selbst in diesen Mustern ertappe. Es ist leicht, davon mitgerissen zu werden und schwer sich davon zu lösen. Wer weiß, wo der Feind steht, schläft nachts besser. Lagerbildung „die“ gegen „wir“ bedient unser tiefes Bedürfnis nach Orientierung. Dabei besitzt in der Politik in der Regel niemand eine absolute Wahrheit und die Wissenschaft steht und fällt mit sich immer wandelnden Ergebnissen und einem tiefer werdenden Verständnis der Materie.

In unserer Debattenkultur sind wir derzeit praktisch umzingelt von „Rechts- und Linksextremen“, „Leugnern“ jeder Art, „Verschwörungstheoretikern“, „Ideologen“ und natürlich den „Verschwörern“ selbst auch. Politiker stehen jeden Tag auf, um Böses zu tun und sind bei dem was sie leisten kriminelle Superhirne, statt einfach nur normale, aus der Bevölkerung gewählte, Bankkaufleute, Lehrer, Juristen, Landwirte, Unternehmer und und und.

Vielleicht ist es eine Reaktion auf die jahrelange Kompromisspolitik der Großen Koalition, vielleicht ist es aber auch eine tiefergehende Verunsicherung bei uns, ausgelöst durch eine nicht mehr handhabbare Flut von Informationen, oder der Angst vor wirtschaftlichem und gesellschaftlichen Abstieg in Folge der letzten Krisen. Vielleicht sogar eine weltweite Entwicklung, die sich ähnlich in vielen Staaten beobachten lässt? Vielleicht ist es auch ein Phänomen von dauerhaftem Wohlstand und Frieden?

Was auch immer die Ursache sein könnte – wie man damit umgeht zeigt, wie stark unsere Demokratie und Gesellschaft wirklich ist:

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Wir haben die Corona-Maßnahmen als Politik im besten Wissen und Gewissen getroffen, dass wir mit dem Corona-Virus eine echte globale Gefahr vor uns haben. Wir mussten reagieren, da die bekannten Daten aus China und anderen betroffenen Ländern nahegelegt haben, dass wir mit Untätigkeit sonst die Leben von zehn- oder sogar hunderttausenden Menschen gefährden würden – und zwar nicht nur die von Covid-19 Erkrankten sondern auch allen anderen, die ärztliche Hilfe brauchen, aber nicht bekommen können, weil das Gesundheitssystem überlastet worden wäre. Die Wissenschaft nutzte die letzten Monate dazu, immer neue Erkenntnisse über das Virus und die Lungenkrankheit, die es auslöst, zu sammeln. Bewertungen verändern sich, wir erlangen Kontrolle über die Situation zurück und auch die Maßnahmen ändern sich. Was mittlerweile klar ist, ist, dass das Virus für sehr viele Menschen vergleichsweise ungefährlich ist, für Risikogruppen dafür umso gefährlicher. Hätten wir die Risikogruppen also einfach „opfern“ sollen? Welche Art von Protesten hätten wir dann erlebt?

Dass wir vergleichsweise gut durch die erste Welle gekommen sind, wird der Politik nun als Überreaktion angelastet. Es wird dagegen demonstriert – was auch vollkommen in Ordnung ist. Dass es aber keine solchen Demonstrationen in Italien, Spanien oder England gibt, sollte zum Nachdenken anregen. „Nachdenken“ ist daher auch das Stichwort für mein Fazit.

Wir müssen uns allen klar machen, dass nicht jeder, der die derzeitigen Corona-Maßnahmen als zu weitreichend kritisiert ein „Covidiot“ ist. Genau genommen sollten wir uns mit Namensschildern und Schimpfwörtern jeder Art zurückhalten, um wieder zu gesünderen Debatten zurückzukommen. Die eigene Position wird nicht besser, weil man die Gegenseite erniedrigt.

Gefährlich wird es aber, wenn Menschen Fakten auslassen oder sich welche ausdenken, Äpfel mit Birnen vergleichen, Zusammenhänge erfinden, in absoluten sprechen und „die Wahrheit“ kennen, um Stimmungen zu erzeugen, statt zu informieren. Gefährlich wird es, wenn dann auch noch die Bereitschaft vorherrscht Dinge unreflektiert zu übernehmen und das auch noch als „Recherche“ zu bezeichnen. Der Unterschied, ob einer meiner Bundestags-Kollegen angeblich eine Zwangsimpfung in einer Debatte gefordert hat, oder eigentlich das genaue Gegenteil, sind 5 Sekunden Videomaterial, die weggeschnitten worden sind.

In dem Sinne: Bleibt kritisch, denkt nach, informiert euch. Prüft und lest Quellen. Geht fair miteinander um und wägt Wahrscheinlichkeiten ab. Und klingt eine These wie aus einem James Bond Film, ist sie es vermutlich auch.“ (pr)

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