Bückeburger Autor mit zahlreichen Facetten: Stefan Brüdermann und Sebastian Schmideler veröffentlichen Buch über das Wirken von Adolf Holst
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(Bückeburg) Wer an Kinderliteratur des frühen 20. Jahrhunderts denkt, hat meist direkt die Namen Ringelnatz und Kästner im Sinn.

Weniger beachtet und von manchen fast vergessen ist hingegen das umfassende Werk des in Bückeburg tätigen Adolf Holst, der mit Bilderbüchern, Reimgeschichten und Kalenderzeitschriften sich Jahrzehntelang der Kinderliteratur widmete und einen großen Beitrag zu deren Popularität leistete. Doch es gibt auch Schattenseiten in Holst‘ Biographie, seine „Kriegsbilderbücher“ beispielsweise müssen heute kritisch betrachtet werden.

Stefan Brüdermann und Sebastian Schmideler haben nun das Wirken und Werk von Adolf Holst anhand umfangreicher Recherchen zu Papier gebracht und setzen dies ebenso in einen kritischen Kontext, der dennoch den Einfluss seiner Werke keineswegs schmälert.

Sebastian Schmideler liefert eine literaturwissenschaftliche Einordnung des Schaffens von Adolf Holst und dessen Bedeutung für die Kinderliteratur.

Anlässlich des 150. Geburtstags von Adolf Holst fand bereits 2017 mit Unterstützung der Schaumburger Landschaft eine Tagung zu seinem Wirken statt, die Inhalte daraus wurden von Brüdermann und Schmideler aufgearbeitet und um weitere Beiträge ergänzt, sodass ein umfassendes Buch entstanden ist, in dem sich die Besten ihrer Fachrichtungen mit den einzelnen Facetten des Lebens und Wirkens dieser „schillernden“ Persönlichkeit auseinandersetzten.

Grundlage hierfür war unter anderem der umfangreiche Nachlass Holsts, der in den Händen Brüdermanns in der Bückeburger Abteilung des Niedrsächsischen Landesarchives lagert. Zum umfassendem Inhalt hinzukommt ein Druck in Vollfarbe mit zahlreichen Illustrationen, ein biografischer Aufsatz, eine literaturwissenschaftliche Einordnung und eine anschauliche Zeittafel, die einzelne Werke und Meilensteine auf seinem Lebensweg historisch markieren. „Dieses spezielle Thema hat unseren Vorstand sofort überzeugt. Dieser Bückeburger hat weit gestrahlt, das zeigt auch die wissenschaftliche Bedeutung der Bückeburger Abteilung“, konstatiert Lu Seegers, Geschäftsführerin der Schaumburger Landschaft.

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In Sachsen-Anhalt 1867 als Pfarrersohn geboren, genoss Adolf Holst bereits damals als eines der wenigen Kinder eine gute Ausbildung, machte sein Abitur und studierte bis 1892, bevor als promovierter Dr. phil. Ohne Staatsexamen als Hauslehrer in Italien tätig wurde. Später leitete er eine deutsche Schule in Genua, bevor er dem Fürstenhaus auffiel und dort als Prinzenlehrer anfing. In Bückeburg heiratet er eine Generalstochter und ist bis 1907 als Prinzenerzieher tätig, übt sich aber bereits in der Dichtkunst und dem Schreiben von Kinderliteratur. Seiner späteren Aufgabe als Hofbibliothekar wird er jedoch nicht wirklich gerecht: „Er hat diese Aufgabe nie wirklich wahrgenommen“, sagt auch Dr. Stefan Brüdermann.

Dr. Stefan Brüdermann hat für dieses Buch umfangreich im Nachlass des Bückeburger Reimeschmieds recherchiert.

1918 macht er sich als Dichter selbstständig, lebt bescheiden von einer kleinen Pension der Hofkammer. In der Zeit des ersten Weltkrieges erscheinen auch seine umstrittenen Kriegsbilderbücher, die den Krieg mit der Zeit mehr und mehr propagieren und romantisieren. Den anschließenden gesellschaftlichen Umbruch der 20er Jahre erlebt er in großer finanzieller Not, dennoch kauft er 1929 das Grundstück an der Herman-Löns-Straße und lässt dort ein Haus bauen. Seine Kindereime und Bilderbücher beginnen an Beliebtheit zu gewinnen, populäres Beispiel aus dieser Zeit ist „Hans Wundersam“ von 1920. Doch die nahende Wirtschaftskrise und die anschließende Machtübernahme durch die Nationalsozialisten sorgen für gewaltige gesellschaftliche Umbrüche. Holst trat in die NSDAP ein, um weiter publizieren zu dürfen. Bis 1935 schrieb er für den Auerbach-Kinder-Kalender und stellte diesen in den Dienst des Regimes. Die Biografhie Holst ist ebenfalls gespickt mit unglaublichen Begebenheiten, wie der unbewussten Unterbringung und Deckung der Jüdin Ruth Lilienthal, die als Rose Schwendiger in seinem Haus lebte und so den Krieg überlebte. Holst selbst starb 1945 nach schwerer Krankheit.

Von links: Lu Seegers, Stefan Brüdermann und Dr. Sabine Graf präsentieren das erste Werk, dass sich umfassend und hinterfragend mit Adolf Holst beschäftigt.

Besonders hervorzuheben ist die Rolle, die Holst für die Kinderliteratur und -Lyrik spielte – seine Kindergedichte und Reime sorgten erst dafür, dass Bücher dieser Zeit populär wurden. In Kooperation mit den besten Illustratoren dieser Zeit ging Holst hier sehr geschickt vor, so wurden seine Feiertagsbücher wahre Renner in den Warenhäusern, berichtet Schmideler. Er traf den Geschmack des Publikums, seine Reime wurden sogar vertont. Dabei war Holst durchaus vielseitig – ob Kinderreime, Bilderbücher, Massenkommunikation mit Kindern über den Kalender oder eigens gedichtete Verse für die „Margerine-Zeitung“, sein Schaffen lässt sich auch zahlreichen Perspektiven betrachten. „Wir wollten uns der Frage annähern: Wer war Adolf Holst? Dabei kommen unterschiedliche Aspekte zum Vorschein, die Antwort auf die gestellte Frage haben wir damit bewusst offen gelassen“, so Schmideler. Hinzu sei wichtig, sein Schaffen in einen gesellschaftlichen Kontext zu setzen und seine Berührungspunkte mit dem Nationalsozialismus kritisch zu hinterfragen – mit diesem Buch eine Gratwanderung und zugleich ein Novum für die Persona Adolf Holst.

Vertrieben wird das Buch über den Wallstein Verlag und ist ab sofort in allen Buchhandlungen bundesweit und natürlich online erhältlich. „Wir möchten die Diskussion um Adolf Holst neu anregen, ihn würdigen, aber auch reflektieren. Kritisch hinterfragen, ohne sein Werk niederzumachen – das würde auch nicht den Kern der Sache treffen“, sagen Brüdermann und Schmideler unisono. (

Text: nh, Foto: nh/privat)

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