„Wir müssen zeigen, dass wir bereit sind, füreinander einzustehen“: Bürgermeister Axel Wohlgemuth reist in Partnerstädte Sablé-sur-Sarthe und Zuidplas
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(Bückeburg/Sablé/Zuidplas) Es war eine überaus emotionale Woche für Bückeburgs Verwaltungschef:

Auf Einladung von Han Weber, Bürgermeister der Partnergemeinde Zuidplas, sowie von Nicolas Leudière, Bürgermeister der weiteren Partnerstadt, Sablé-sur-Sarthe, wurde gemeinsam dem Ende des Krieges und seiner zahllosen Opfer gedacht. Als Ehrenredner kam dem Bürgermeister Axel Wohlgemuth eine große Ehre und zugleich Verantwortung zu Teil: „Ich hatte die gesamte Woche über einen großen Kloß im Hals.“

In seinen Reden – in Holland auf Englisch und Niederländisch, in Frankreich auf Deutsch – ging Wohlgemuth auf die Wichtigkeit des Erinnerns und die gemeinsame Versöhnung, der auch die Städtepartnerschaften zugrunde liegen, ein. Dabei traf er den richtigen Ton – viele Zuhörer zeigten sich berührt von seinen Worten.

Die Reisen in die Partnerstädte waren eine emotionale Herausforderung, aber auch geprägt von vielen besonderen Erlebnissen und Begegnungen, wie der Verwaltungschef in Nachgang resümiert.

Bitte um Vergebung

In den Niederlanden wird alljährlich am 4. Mai den Kriegsopfern gedacht – hier und einen Tag später, am 5. Mai, zum Entzünden des „Freiheitsfeuers“ war Wohlgemuth als Ehrengast geladen. Ein besonders bewegender Moment war, als Wohlgemuth in seiner Rede die Zuhörenden auf Niederländisch um Verzeihung für die grauenvollen Verbrechen der Deutschen bat – die Holländer dankten ihm dafür mit Applaus. Neben den Feierlichkeiten besuchte die Bürgermeister-Delegation auch ein Haus, in dem zu Kriegszeiten Teile der Resistance Unterschlupf fanden und einst ein amerikanischer Soldat vor den Nazis versteckt wurde und kurz vor Kriegsende in einer Schießerei ums Leben kam. Heute erinnert ein Denkmal an die Geschehnisse dieser Tage.

Ein besonders bewegender Moment war, als Wohlgemuth in seiner Rede die Zuhörer auf Niederländisch um Verzeihung für die grauenvollen Verbrechen der Deutschen bat – die Holländer dankten ihm dafür mit Applaus.

Berührende Rede

Nach den Feierlichkeiten in Holland machte sich die Delegation der drei Bürgermeister auf nach Frankreich – hier sollte am 8. Mai dem Kriegsende gedacht werden. Dieses Datum hat für Bürgermeister Wohlgemuth doppelte Bedeutung: „Ich wurde genau 25 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geboren. Ein Tag, der in der Geschichte Europas als Tag der Befreiung erinnert wird – als Ende einer Schreckensherrschaft, als Neubeginn und als Mahnung“, so Wohlgemuth in seiner Rede.

„Mein Vater erzählte mir manchmal von seinen Erlebnissen der Nachkriegszeit. Er war neun Jahre alt, als er zum ersten Mal seinem Vater begegnete – ein Mann, der ihm auf der Straße fremd erschien, bis er erfuhr: Das ist dein Vater, zurückgekehrt aus der Kriegsgefangenschaft. Ich wusste als Kind, dass es eine traurige Geschichte war – aber ich konnte die Tiefe dieses Moments noch nicht begreifen. Doch heute spüre ich: Je älter ich werde, desto näher rückt mir die Geschichte. Die Verantwortung, die Schuld, das Leid – sie sind nicht vergangen. Sie fordern unsere Erinnerung und unser Handeln. Deshalb sei es für ihn nicht selbstverständlich, sondern zutiefst bewegend, heute an die Opfer des Krieges und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu erinnern. Daher dankte Wohlgemuth allen voran Menschen wie Jean Pinot und Bruno Behlau, die früh daran geglaubt haben, dass aus Feinden Freunde werden können. „Ihre Arbeit war nicht selbstverständlich – sie war Pionierarbeit für die europäische Idee, für Menschlichkeit, für Vertrauen“. Nun läge es bei uns allen, dieses Erbe weiterzutragen.

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Eine Delegation des VfL Bückeburg war mit nach Sablé gereist, um den Partnerschaftsgedanken auf die nächsten Generationen auszuweiten.

Symbol der Einigkeit

„Unsere Städtepartnerschaft ist kein Selbstzweck. Sie ist ein lebendiger Ausdruck dessen, wozu Europa fähig ist: Aus Hass wurde Verständnis. Aus Trennung Gemeinschaft. Und aus Vergangenheit Zukunft. Und es ist ein Zeichen der Hoffnung, dass wir dies gemeinsam tun. Wir müssen zeigen, dass wir bereit sind, füreinander einzustehen. Dass wir bereit sind, Verantwortung zu übernehmen – nicht nur für die Vergangenheit, sondern für die Welt, die wir unseren Kindern hinterlassen wollen.“ Für diese bewegenden Worte erhielt Wohlgemuth viel positive Resonanz und zeigt sich auch in der Woche danach noch angefasst: „Die Menschen so ergriffen zu sehen, war auch für mich sehr berührend. Uns Beteiligten war vor allen Dingen das Symbol der Einigkeit in Europa wichtig – und das ist uns glaube ich gut gelungen“, so sein Resümee.

Am 8. Mai folgte nach einem Gedenkgottesdienst eine Kranzniederlegung, sowie eine große Veranstaltung zum Kriegsgedenken in Sablé.

Emotionale Herausforderung

So sehr der Versöhnungsgedanke, der in diesen Partnerschaften gelebt und weitergebgeben wird, gepflegt wird, kam niemand umweg, der an den Feierlichkeiten in den Nachbarländern teilnahm, von den vielen persönlichen Schicksalen und dem großen Leid, dass dieser Krieg unter der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten ausgelöst hatte, tief im Inneren berührt zu werden.

So auch Axel Wohlgemuth: „Es wird einem nochmal auf schmerzliche Weise bewusst, wie viel Leid die Deutschen verursacht haben und wie tief derartige Wunden auch heute noch in der Gesellschaft verankert sind“. Zwar sei die Stimmung auf beiden Reisen immer freundlich gewesen, jedoch sei stets auch eine gewisse Anspannung spürbar gewesen. „Es ist eine emotionale Sache, dort zu sprechen und zugleich eine Herausforderung, die richtigen Worte zu finden“, blickt der Verwaltungschef zurück.

Gemeinsam mit Ehefrau Christin Wohlgemuth legte der Bürgermeister zum Gedenken einen Kranz in Zuidplas nieder.

Gegeneinladung zum Volkstrauertag

Dass gleich drei Bürgermeister sich gemeinsam auf eine derartige Reise begeben, ist keinesfalls selbstverständlich. Vor allen Dingen in Anbetracht, dass Sablé und Zuidplas nicht, wie mit Bückeburg, in einer offiziellen Partnerschaft verbandelt sind. Doch der Vorschlag, die Gedenkfeier beider Städte geschlossen zusammen zu besuchen, stieß schnell auf Begeisterung und Anklang. „Manche fragen sich heutzutage: Braucht man noch eine Städtepartnerschaft? Ich halte diese Konzepte immer noch für wichtig, auch über den Versöhnungsgedanken hinaus. Dabei geht es nicht nur um staatsvertraglich garantierte Freiheiten, sondern auch um die persönliche Verbindung auf kommunaler Ebene. Diese Nähe zueinander tut allen gut und hat eine große Symbolkraft“, ist der Verwaltungschef überzeugt.

Um diesen Kreis zu schließen, hat Wohlgemuth ebenfalls eine Einladung zum Kriegsgedenken ausgesprochen: Zum Totensonntag werden seine Bürgermeisterkollegen aus Zuidplas und Sablé nach Bückeburg kommen und an den Feierlichkeiten teilnehmen. Auch ein gesonderter Ratsempfang ist hierfür geplant.

(Text: nh, Fotos: pr)

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