(Obernkirchen) Nachhaltig, gerne digital und vor allem wirksam soll es sein: Welche aktuellen Erkenntnisse aus der Wissenschaft einzelne Unternehmen für ihr betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) einsetzen können, hat bei der diesjährigen „Länger besser leben.“-Präventionskonferenz im Fokus gestanden. Die Veranstaltung der in Obernkirchen ansässigen BKK24 und der Hochschule Weserbergland (HSW) am vergangenen Mittwoch war mit rund 110 Teilnehmern aus Theorie und Praxis im Hamelner Veranstaltungshaus „zedita“ ausgebucht.
Jörg Nielaczny, Vorsitzender des Vorstands der BKK24, betonte bei seiner Begrüßung, warum ihm das Konferenz-Thema so wichtig ist: „Es geht um die Zukunftsfähigkeit des deutschen Gesundheitssystems. Wenn wir nicht endlich umsteuern und den Fokus mehr auf Prävention und Gesundheitsförderung legen, dann steigen die Kosten immer weiter – ohne, dass sich die Versorgungsqualität verbessert.“
Wie aktuell und brisant das Thema ist, zeigt beispielsweise ein Blick in die Statistik des BKK-Dachverbandes. Die durchschnittliche Anzahl an Krankheitstagen je beschäftigtes Mitglied stieg demnach von 12,6 im Jahr 2008 bis 2022 stetig auf 22,6 Tage. Ein systematisches betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) kann helfen, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. „Wir können nur hoffen, alle kleine Rädchen in einem Getriebe zu sein, die dafür sorgen, dass sich diese steile Kurve wieder nach unten bewegt“, so Prof. Dr. Peter Schulte, Leiter des an der HSW angesiedelten und gemeinsam mit der BKK24 betriebenen „Länger besser leben“-Instituts und damit Co-Gastgeber und Moderator der Konferenz.
Dr. Anne Hübner, Fachärztin für Anästhesie und Intensivmedizin und außerdem Mitglied bei der Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG), zeigte in ihrem Vortrag Möglichkeiten auf, BGM in die Nachhaltigkeitsstrategie zu integrieren und damit Win-win-Situationen zu schaffen: „Wir wissen um so viele gesundheitliche Co-Benefits einer klimafreundlichen Lebensweise.“ Gelinge es beispielsweise, Feinstaub- und Hitzebelastung auf dem Unternehmensgelände zu senken, wirke sich das direkt auf den Cortisolspiegel, damit das Stressempfinden und langfristig den Gesundheitszustand der Anwesenden aus. Um in einem Betrieb konkret ins Handeln zu kommen, empfahl sie etwa eine Ideensammlung für Maßnahmen auf einem Whiteboard im Foyer oder per QR-Code verbreitete Umfragen, um beispielsweise die Akzeptanz von Preissteigerungen in der Kantine für regionales Bio-Essen zu erfahren.
In einem zweiten Impulsvortrag widmete sich Prof. Dr. Nadine Pieck, Professorin für Gesundheitsförderung und Prävention in Magdeburg und Hannover, dem Thema Digitalisierung. Hier sei es wichtig, nicht nur technikzentriert an Kosten- und Zeitersparnis zu denken, sondern auch die sozialen und gesundheitlichen Bedürfnisse der Mitarbeitenden im Blick zu behalten. Dass durch das Voranschreiten der Technik die Arbeit grundsätzlich leichter werde, entspreche für viele Menschen nicht der Realität. „Digitalisierungsprozesse verstärken häufig das Belastungserleben.“ Die Expertin rät zu Beteiligungsmöglichkeiten. „Ich glaube, da wäre viel zu holen, wenn man die Leute einfach mal fragt: Was wäre jetzt für dich gut?“
In einer Paneldiskussion gaben Expertinnen Einblicke in eigene „Best Practice“-Ansätze. „Man muss einmal verstehen, wie wichtig Personal für ein Unternehmen ist“, betonte Garnet Boehnke, betriebliche Gesundheitsmanagerin. „Personal ist nicht nur Kostenfaktor, sondern auch ein entscheidender Erfolgsfaktor.“ Dr. Margit Emmerich, die seit 1989 die Entwicklung von BGM als Betriebsärztin in Industriebetrieben begleitet hat, beobachtet einen Generationenwandel: Junge Menschen seien zunehmend interessierter an Vorsorgeuntersuchungen und Gesundheitsmaßnahmen, auch weil letztere nun per App leichter und zeitsparend zugänglich seien. Ina Pannicke, Referentin für Betriebliches Gesundheitsmanagement, beschrieb erfolgreiche BGM-Lösungen in Digitalformaten für regional verzweigt aufgestellte Unternehmen.
Ein neues Element der „Länger besser leben.“-Konferenz und Grund für die Umbenennung des früheren Kongresses waren die Masterclasses, in die sich die Teilnehmenden entsprechend ihrer Interessen zeitweise aufteilten. Hier vertieften Prof. Dr. Nadine Pieck, Dr. Margit Emmerich und Ina Pannicke ihre Themen noch praxisorientierter. Prof. Dr. Miriam Sebold, Professorin für Wirtschaftspsychologie, führte eine vierte Arbeitsgruppe in das Themenfeld der Gewohnheitsänderung ein.
„Ich nehme heute viele Ideen und Denkanstöße mit nach Hause“, resümierte Torben Kietsch, Leiter Sponsoring und Vermarktung vom Handball-Bundesligisten TSV Hannover-Burgdorf, DIE RECKEN. „Das ist ein wirklich wertvolles Format, um sich einmal rundum über relevante Themen der Präventionswissenschaft zu informieren. Zudem war es eine wunderbare Möglichkeit, bestehende Kontakte zu vertiefen und gemeinsame Ideen wie Ansätze im Kontext von Prävention und Nachhaltigkeit zu brainstormen.“ Auch Jörg Nielaczny war sichtlich zufrieden: „Als BKK24 kümmern wir uns seit über zehn Jahren um Prävention und Nachhaltigkeit. Heute wurde wieder einmal deutlich: Nur so gelingt uns in Zukunft ein längeres besseres Leben.“