„Soziale Arbeit erfährt zu wenig Anerkennung“: Wärmestube bietet auch Ort für Miteinander
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(Bückeburg) Seit 6. Dezember bietet der Paritätische an drei Tagen in der Woche nun eine Wärmestube an, mit einem warmen Mittagessen in einem geschützten Raum und einem geselligen Miteinander.

Nachdem der Start etwas verhalten war, nutzen nun zahlreiche Bürger das Angebot regelmäßig. In den Gesprächen mit den dort tätigen Ehrenamtlern der Sozialverbände und Paritätische-Geschäftsführer Martina Harting haben sich so in den vergangenen Wochen bereits ungeahnte Synergien aufgetan, „die wir uns so nicht ausdenken konnten“, wie Harting im Gespräch mit dieser Zeitung resümiert.

Nach rund fünf Wochen Wärmestube nutzte auch die Landtagsabgeordnete Colette Thiemann die Gelegenheit, sich vom neuen Angebot des Wohlfahrtverbandes ein Bild zu machen und das Gespräch zu den Besuchern und Ehrenamtlichen zu suchen. Dabei kamen Themen wie Obdach- und Wohnungslosigkeit, Altersarmut, vor allen Dingen bei Frauen, sowie die mangelnde Wertschätzung für soziale Arbeit auf den Tisch. „Wir sollten für Wohnungs- und Obdachlose die Möglichkeit haben, rund um die Uhr einen Ansprechpartner zwecks Organisation einer Unterkunft zur Verfügung zu haben“, regt Thiemann an. „Wir brauchen, gerade nach Corona, Begegnungsräume wie diesen hier“, sagt sie weiter, vor allen Dingen in Krisenzeiten und in Anbetracht steigender Lebenshaltungskosten und Einsamkeit in der Gesellschaft.

Im Gespräch mit den Ehrenamtlichen ergeben sich zahlreiche Erkenntnisse sowie Synergieeffekte, sowohl in den vergangenen Wochen der Wärmestube als auch beim Gespräch mit der Landtagsabgeordneten Colette Thiemann.

„Viele greifen ihre Reserve an, denn das Einkommen reicht nicht mehr aus. Zudem ist dieses Thema für viele mit Scham behaftet sowie mit der Furcht, weniger für die Gesellschaft wert zu sein.“ Dabei sieht Martina Harting die Ursachen auch in strukturellen Problemen, etwa zu wenig (finanzielle) Anerkennung für Erziehungs- und Pflegezeiten. „Das sieht niemand, dabei ist einen Haushalt zu führen und Kinder großzuziehen auch ein Erfolg.“ „Leistung wird noch immer monetär gewertet“, fasst Thiemann das Problem zusammen, dabei sei diese Annahme schon lange überholt. Bestes Beispiel seien Menschen in der Pflege, die sehr viel Verantwortung tragen, jedoch mit einer geringen monetären Ausstattung. „Jahrelang habe ich im Akkord gearbeitet und dennoch wenig verdient, unter anderem weil ich eine Frau bin“, stellt Ehrenamtlerin Ute Schlenkrich fest. „Es ist traurig, dass Frauen noch immer so wenig verdienen – was dann als Rente herauskommt, ist lachhaft.“

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Der Wunsch der Anwesenden: Leistung müsse von finanziellen Faktoren abgekoppelt werden, dafür muss aber die Politik was ändern. Zudem fehle es in der Gesellschaft an sozialen Denken, soziale Arbeit und Berufe sollten besser gefördert werden. „Die Politik muss am Ball bleiben und das Gespräch zum Bürger suchen“, fordert Harting. „Viele von denen sehen gar nicht, dass es andere Lebensrealitäten gibt“, wie etwa die der pflegenden Angehörigen. „Der Dienst an der Gesellschaft hat Anspruch auf Wertschätzung“, sind sich alle Anwesenden einig. „Es kann nicht sein, dass Wohlfahrtsverbände die staatlichen Lücken schließen müssen“, ärgert sich Tiemann, die versprach, sich für weitere Fördermittel einzusetzen.

Martina Harting (v.re.) , Colette Thiemann und die Ehrenamtlichen Ute Schlenkrich und Reneé Bonke fordern ein gesellschaftliches Umdenken, dass Leistung und Erfolg nicht an monetäre Faktoren gekoppelt sein müssen.

Und so kann auch Harting im Namen des Paritätischen bereits aus fünf Wochen Wärmestube vieles berichten: „Altersarmut ist zumeist weiblich“, ist eine der Schlussfolgerungen. Dabei versuchen Harting und die Ehrenamtlichen, den Besuchern der Wärmestube bei Problemen und Sorgen zur Seite zu stehen, etwa als ein wohnungsloser Besucher nach eine Unterkunft fragte. Schnell konnte der Kontakt zur Stadt hergestellt werden, die eine Unterkunft zur Verfügung stellte – wegen rechtlicher Unklarheiten jedoch durfte der junge Mann dort dann doch nicht übernachten. Dennoch habe diese Situation verdeutlicht: Die Wärmestube ist nicht nur ein Raum für Essen und Geselligkeit, sondern auch das niederschwellige Angebot zur Begegnung und Unterstützung. Die Ehrenamtler aus den Sozialverbänden fungieren hier als eine Art „Wissensbörse“ und helfen, wo es nur geht. „Ich finde es wichtig und richtig, die Menschen aus ihrer Scham und sozialen Isolation herauszuholen“, sagt Harting und lädt ein: „Einfach herkommen, da sein und in Gesellschaft kommen. Wir kontrollieren weder die Bedürftigkeit, noch sind die Besucher gezwungen, sich aktiv einzubringen – sie können auch einfach kommen und zuhören.“

Wenn es nach Harting und den Ehrenamtlern geht, wird das Angebot Wärmestube auch nicht zum gesetzten Stichtag Ende März enden. „Gerne kann es auch danach weitergehen, etwa als Kommunikationsstube, in der wir diese ganzen Themen weiterhin angehen können.“

(Text & Foto:nh)

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