Bückeburg: Bürgermeister beugt sich Bevölkerungswillen / Klimaausschuss und Rat stimmen für Erhalt der Linden
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(Bückeburg) Mit viel Emotionen wurde in den vergangenen Wochen über die Planungen der Stadt, die Bäume in der Innenstadt durch neue zu ersetzen, gestritten und diskutiert.

Nun hat sich zunächst der Klima- und Umweltausschuss (KUA) in einer Sondersitzung erneut zum Thema beraten und die Beweggründe der Planungen erklärt. Die überraschende Kehrtwende kam dann vom Bürgermeister, der für kompletten Erhalt der Bäume, im Sinne des Bürgerwillens, plädierte. Nach der Empfehlung des KUA votierte auch das Ratsgremium für diesen Vorschlag. Das Ergebnis: Die Bäume bleiben stehen.

Den Aufschlag machte der Klima- und Umweltausschuss am Dienstag

Volles Haus im Großen Rathaussaal: Diese denkwürdige Sitzung des Ausschusses sollte sich ausschließlich um das Thema „Kaiserlinden“ drehen. Rund 100 Bürger waren gekommen, um der Sitzung beizuwohnen und von ihrem Rederecht Gebrauch zu machen. Vorsitzende Cornelia Laasch (Grüne) begrüßte die Anwesenden einleitend: „Die Planungen haben Unruhe hervorgerufen. Die Fußgängerzone ist das Wohnzimmer der Stadt, da ist es berechtigt, dass Bürger sich darüber Gedanken machen“.

Volles Haus im Großen Rathaussaal am Dienstag: Selten hat eine Ausschusssitzung so viel Publikum angezogen. Viele nutzen die Gelegenheit, ihre Meinung und oft Unverständnis gegenüber den ursprünglichen Planungen zu erläutern.

Björn Sassenberg, Fachgebietsleitung Planen und Bauen, erklärte den Prozess seit vergangenem Juli bis zur Entscheidung im Februar, die Bäume auszutauschen: Ursächlich waren massive Verwerfungen im Pflaster. Mit dem Planungsbüro sei der Entschluss gefallen, die Baumquartiere zu vergrößern und mit Sitzgelegenheiten und Unterpflanzungen aufzuwerten. „An sich sind die Bäume gesund, zeigen leichte Anzeichen von Stress, jedoch sorgen die Extremstandorte für eine geringere Lebenserwartung“, so Sassenberg. Diese Problematik habe zu einer erneuten Abwägung geführt, die schlussendlich in der langfristig wirtschaftlicheren Variante – dem Austausch der Bäume – resultiert ist.

Der Förderantrag wurde bereits davor gestellt. Förderfähig sei sowohl die Überarbeitung der Quartiere als auch der Austausch der Bäume. Der größte Kostenfaktor der Maßnahme, die in Gänze mit rund 400.000 Euro bemessen ist, sei die Arbeit am Untergrund. Da ein Austausch der Bäume in den kommenden Jahren absehbar sei, müsse die Stadt dann erneut Geld in die Hand nehmen, nun könnte in einer Maßnahme eine langfristige Lösung erzielt werden; die Vorteile für den Austausch würde überwiegen. Dennoch habe die emotionale Diskussion sowie der Widerstand aus der Bevölkerung zum Nachdenken geführt, in einer Aufarbeitung dieser Entwicklungen habe die Verwaltung zum Kompromiss gefunden, lediglich sechs Bäume auszutauschen. Damit könne ein Teil der Linden – mehrere vor dem Eiscafé sowie weiter oben beim Schuhgeschäft – erhalten bleiben und aus der Öffnung der anderen Baumscheiben Schlussfolgerungen zum Wurzelwachstum gezogen werden.

Zunächst wurde der Kompromissvorschlag der Verwaltung diskutiert

Bürgermeister Axel Wohlgemuth hakte hier ein: „Wie alt die Bäume wirklich werden, kann niemand seriös beantworten. Im Abwägungsprozess haben wir uns intensiv damit beschäftigt, um den nachhaltigsten Umgang mit den vorhandenen Ressourcen zu garantieren. Aber, die Entscheidungen des Rats müssen auch die Zustimmung der Bürger finden und ich nehme wahr, dass diese Entscheidung nicht nachvollzogen werden kann. Ich spüre, die Menschen wollen ein anderes Ergebnis“. Täglich erhielte er E-Mails zum Thema und er verspüre eine „Spaltung zwischen Rat und Verwaltung und der Bürgerschaft“. Auch der Kompromiss sei nicht vermittelbar gewesen, sodass er zu dem Vorschlag gelangt sei, die Entscheidung aus dem vergangenen Jahr zurückzunehmen und die geplanten Maßnahmen mit dem Erhalt der Bäume umzusetzen.

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Edeltraut Müller, ehemalige Bürgermeisterin der Stadt Bückeburg, plädierte an die Ausschussmitglieder und den Bürgermeister, die Linden zu erhalten.

In der anschließenden Diskussion forderte Dieter Everding (SPD) nicht nur den kompletten Erhalt der Bäume, sondern weitere Anpflanzungen im Innenstadtbereich. Dieter Wilharm Lohmann und Hermann Kempf (beide CDU) machten sich hingegen weiter für den Kompromiss stark. „Ich habe große Zweifel, dass die Wurzeln dabei nicht beschädigt werden. Wir kriegen eine Förderung und sollten diese Chance richtig nutzen. Ich kann mit dem Kompromiss gut leben und befürchte, wenn wir es ohne den Austausch umsetzen, werden wir nicht lange Freude daran haben“ so Wilharm-Lohmann, der als Antwort einzelne Buh-Rufe aus dem Publikum erntete. Andreas Paul Schöniger (Freie Wähler) attestierte den Stressfaktor nicht bei den Bäumen, „sondern eher bei Herrn Sassenberg“. Das „Ping-Pong-Spiel“ der Verwaltung überrasche ihn sehr. Albert Brüggemann (SPD) vermittelte, da die Bevölkerung die Entscheidung nicht mittragen könne, schließe sich die SPD dem Vorschlag des Bürgermeisters an.

Im Klima- und Umweltausschuss äußerten Bürger Kritik an den „Baumplänen“

Doch auch die Bürger bekamen die Gelegenheit, sich zur Sache zu äußern. Karlheinz Soppe, ehemals Bauamtsleiter der Stadt, klagte an: „Wir haben damals lange auf das schöne Ergebnis in der Innenstadt hingearbeitet, dass dies nun zerstört werden soll, finde ich unmöglich“. Die Aussagen zum Untergrund seien falsch, der Boden sehr wohl wasserdurchlässig. „Die Planungen sind ein Unding!“, so Soppe, der dafür Applaus aus dem Publikum bekam. Dieses appellierte weiter für den Erhalt der Bäume und nahm den neuerlichen Vorschlag, diese zu erhalten, mit Wohlwollen entgegen. Auch der Ausschuss stimmte – mit einer Ausnahme – für den Vorschlag des Bürgermeisters und empfiehl dem Ratsgremium die Umsetzung der Maßnahme, mit Erhalt der Bäume.

Rat lenkt ein: Entscheidung für Erhalt aller Bäume gefällt

In der Ratssitzung an Donnerstagabend wurde der Vorschlag des Bürgermeisters durch das Ratsgremium einstimmig bestätigt – jedoch nicht bevor sich einzelne Ratsmitglieder erklärend und auch aufeinander fingerzeigend äußerten, um ihr Umschwenken oder aber die mangelnde Information der Öffentlichkeit zu rechtfertigen. Schlussendlich plädierten alle Fraktionen im Sinne des Bürgerwillens für den Erhalt der Bäume. Die rund 50 anwesenden Bürger honorierten die Entscheidung mit Applaus.

Am Donnerstagabend plädieren die Ratsmitglieder geschlossen für die Rückkehr zu den üblichen Planungen aus dem Winter 2021, die Quartiere zu vergrößern, um den Bäumen etwas Gutes zu tun und die Innenstadt aufzuwerten.

Start der neu beschlossenen Maßnahmen soll zeitnah erfolgen

Die ursprünglichen Planungen aus dem Winter 2021 zur Aufwertung und Vergrößerung der Baumquartiere werden umgesetzt. Starten soll die Maßnahme recht zeitnah diesen Herbst/Winter im ersten Bauabschnitt auf Höhe des Braukellers. Und für dessen Außengastronomie wurde auch ein Kompromiss gefunden: Der Durchgang auf Höhe der Gastwirtschaft wird auf rund sechs Meter vergrößert, um mehr Platz zu schaffen, dafür wird der Durchgang auf Höhe des Blumengeschäftes verkleinert.

(Text & Fotos: Nadine Hartmann)

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