Deutliche Forderungen an die Sozialpolitik: Politik-Talk mit Landtagskandidaten beim Paritätischen
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(Vehlen) Zeitgleich zum „Politik-Talk“ des Paritätischen Niedersachsen lud auch der Schaumburger Paritätische die heimischen Landtagskandidaten zur Diskussion und Austausch in den Gasthof Vehlen ein.

Nachdem zunächst den Ausführungen in Hannover zugehört wurde, entstand auch mit den Schaumburger Kandidaten und Akteuren unterschiedlicher Verbände und Organisationen eine anregende und konstruktive Diskussion, wie die sozialpolitischen Forderungen auch in unserem Landkreis umgesetzt werden könnten.

Martina Harting, Geschäftsführerin Der Paritätische Schaumburg, leitete, nachdem die Anwesenden aufmerksam den Ausführungen der Diskussionsteilnehmer in Hannover gelauscht hatten, an die Landtagskandidaten über. Dr. Imke Hennemann-Kreikenbohm, Landtagskandidatin der Grünen, forderte, dass der Härtefallfonds schnell und in der Fläche umgesetzt werde: “Auch im Bereich der Rettungsschirme muss viel passieren“. In Schaumburg habe die Kreistagsfraktion der Grünen bereits einiges in dieser Sache auf den Weg bringen können.

Annette Lüneburg, Geschäftsführerin PLSW, berichtet Martina Harting (re.) und den Anwesenden über Hürden, die es Eltern erschweren, integrative Angebote für ihre Kinder in Anspruch zu nehmen.

Weiter müsse auch künftig der ÖPNV zu einem günstigen Tarif, ähnlich des 9-Euro-Tickets, angeboten werden, denn auch Mobilität sei ein Baustein gesellschaftlicher Teilhabe. Die erneut kandidierende Landtagsabgeordnete Colette Tiemann (CDU) beklagte „weiße Flecken in der Pflegeversorgung“. Sie selbst habe als pflegende Angehörige die Erfahrung vielfältiger Beeinträchtigungen gemacht. In Zusammenspiel mit Berufstätigkeit sei der Alltag für involvierte Angehörige fast nicht leistbar. „Wir müssen eine parteiübergreifende Sensibilität in diesem Thema fordern“, so Tiemann.

Grünen-Landtagskandidatin Imke Hennemann-Kreikenbohm forderte, dass der Härtefallfonds schnell und in der Fläche umgesetzt werde.

Jan-Philipp Beck, Landtagskandidat der SPD, sieht vor allen Dingen in der sozialen Sicherheit der Bevölkerung in Anbetracht steigender Preise und Energiekosten als eines der künftigen Kernthemen an. „Notlagen müssen abgefedert werden, das geht nur mit einem aktiven Sozialstaat und engagierten Wohlfahrtsverbänden“, so Beck. Zudem sei für den Landkreis Schaumburg wichtig, die Teilhabechancen bereits in der Kita zu betrachten. Beck fordert „ein gerechtes Bildungssystem, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft und Handicap, in diversen Entfaltungsformen“. Das Thema Inklusion treibe die SPD um, vor allen Dingen in Schaumburg gebe es exemplarische Projekte, die den Schritt „in die richtige Richtung“ gewagt hätten und Selbstständigkeit fördern und fordern. Die Digitalisierung könne als Chance gesehen werden, Pflege und Innovationen voranzutreiben, ein gutes Beispiel hierfür sei das Living-Care-Lab in Stadthagen. „Eine stabile Gesellschaft ist weniger anfällig für Demokratiefeinde. Dann können wir auch zuversichtlich sein, dass antidemokratische Kräfte nicht in den Landtag einziehen“.

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Robin-Pascal Stalica, Landtagskandidat der FDP, konstatiert: „Die Situation in der Pflege ist nicht richtig – zu viel Arbeit für ein niedriges Gehalt und zu wenig Wertschätzung“

Annette Lüneburg, Geschäftsführerin Paritätische Lebenshilfe Schaumburg-Weserbergland (PLSW), berichtet von bürokratischen Hindernissen in der Realisierung des Projektes in der Alten Post in Stadthagen und Erfahrungen mit Eltern, die bei Auffälligkeiten der Kinder oft nicht wagen, die „Hürde zu nehmen, integrative Angebote in Anspruch zu nehmen“. Da müsse man hinschauen, anpacken und früh Eingliederungshilfe leisten.

Robin-Pascal Stalica, Landtagskandidat der FDP, konstatiert: „Die Situation in der Pflege ist nicht richtig – zu viel Arbeit für ein niedriges Gehalt und zu wenig Wertschätzung“. Auch in der Jugendarbeit sieht er Nachholbedarf: „Die Jugendlichen dürfen nicht ungehört und alleine bleiben“.

Im direkten Austausch als auch im gemeinsamen Brainstorming zu den zehn sozialpolitischen Forderungen des Paritätischen notieren Colette Tiemann (Foto) und die weiteren Teilnehmer ihre Visionen und Forderungen auf Thementafeln.

Karsten Becker, amtierender, jedoch nicht erneut antretender Landtagsabgeordneter der SPD, prophezeit, dass „noch mehr Themen auf uns zukommen werden“. Der Wohnungsmangel mache den Wohnungswechsel im Alter schwierig; der Markt regele dies nicht wie erwartet von alleine: „Es gibt Nischen, die der Markt nicht abdecken wird“. Hier müsse angesetzt werden.

Jan-Philipp Beck (SPD) fordert „ein gerechtes Bildungssystem, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft und Handicap, in diversen Entfaltungsformen“.

Heidemarie Hanauske, Geschäftsführerin AWO Kreisverband Schaumburg, warnte davor, „dass der Kürzungshammer nicht bei der sozialen Arbeit ansetzt“. Unter anderem seien in der Unterstützung Geflüchteter Kürzungen geplant, sodass künftig gewisse Beratungsangebote nicht mehr vorgehalten werden können. „Eigentlich bräuchten wir mehr, nicht weniger“. Die Politik solle dies bedenken, im Sinne aller Wohlfahrtsverbände. Martina Harting schlug vor, der Fachkräftemangel mit der Integration Geflüchteter zu verknüpfen. Auch Tiemann habe sich „immer die Frage gestellt, warum die Hürden so hoch sind, Fähigkeiten und Fertigkeiten ausländischer Menschen anzuerkennen“. Ein weniger bürokratisches System der Berufsanerkennung müsse etabliert werden. „Wir müssen die Hürden senken für Menschen aus dem Ausland, oder aber Personen mit Beeinträchtigungen. Dafür brauchen wir ein Umdenken – wer Integration will, der macht es passend“, so das Resümee Thiemanns.

Im anschließenden Ideenaustausch und Brainstorming zu den zehn sozialpolitischen Forderungen schloss die Veranstaltung ab. Die Forderungen im Detail sind nachzulesen unter www.paritaetischer.de/sozialbleiben. (Text & Foto: nh)

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