(Bückeburg) Viele Ältere drohen in der zunehmend digitalen Welt abgekoppelt zu werden.
„Selbst bei einfachen Dingen wie Terminabsprachen für Behördenbesuche oder Überweisungen bei der Bank sind Menschen ohne Internetzugang im Nachteil“, stellt Ruth Harmening, Vorsitzende der Senioren-Union der CDU in Bückeburg, in einem offenen Brief fest. Tatsächlich ist die Digitalisierung in den heimischen Unternehmen und der Stadtverwaltung ein großes Thema, das einerseits mit großen Herausforderungen, andererseits mit einigen Fallstricken gespickt ist. Wir haben nachgefragt, inwieweit ein Mittelweg zwischen Digitalisierung und der Aufrechterhaltung analoger Dienste möglich ist.
Ruth Harmening fordert ein „Recht auf analoges Leben“, spricht von Diskriminierung der Älteren und sieht sich damit einig mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO). Deren Vorsitzende, die ehemalige Sozialministerin des Saarlandes Regina Görner (CDU), beklagt, kein Hersteller mache sich Gedanken, wie Nutzer mit digitalen Anwendungen klarkommen würden.
Dabei wollen die CDU-Senioren die Digitalisierung nicht grundsätzlich aufhalten, stellt Harmening fest. „Natürlich müssen wir uns darauf einstellen, das wissen wir. Doch es muss einen Mittelweg geben“. Da sich viele Ältere ohne Smartphone, Tablet oder Computer im Alltag oft hilflos fühlen, verlangt Ruth Harmening einen besseren analogen Service von Behörden, Banken und Sparkassen sowie allen Institutionen, die nur noch digital erreichbar sind. „Termine müssen sich auch telefonisch vereinbaren lassen und das Online-Banking muss durch Schalterzeiten für Ältere oder durch mobile Geschäftsstellen ergänzt werden“, heißt es bei der Senioren-Union. Aufgrund der ausgedünnten Filialnetze seien viele Seniorinnen und Senioren schon nicht mehr in der Lage, ohne fremde Hilfe die eigene Rente abzuholen, kritisiert die Senioren-Union und nennt „diese Ausgrenzung einen unhaltbaren Zustand.“
„Für die Volksbank in Schaumburg bleibt die Filiale ein wichtiger Kontaktpunkt zu ihren Mitgliedern und Kunden“, verspricht Martina Tellermann von der Volksbank in Schaumburg. „Gerade für umfassende Themen wie Geldanlage, Vorsorge und Kreditbedarf ist eine Beratung von Angesicht zu Angesicht sehr sinnvoll. Dementsprechend haben wir auch in den letzten Jahren immer wieder in die Zukunftsfähigkeit unserer Bankstellen investiert und unser Standortnetz weiter optimiert. Berücksichtigt wurden dabei die veränderten Bedürfnisse und das Nutzungsverhalten der Kunden“. Ziel sei es, digitale und analoge Kommunikationswege so miteinander zu vernetzen, dass Kunden möglichst komfortabel, einfach und schnell ihre Bankangelegenheiten wahrnehmen können und qualifiziert beraten werden.
„Wir bieten unseren Kunden einen guten Mix aus digitalen Angeboten, einem umfassenden telefonischen Service und einer qualifizierten Beratung vor Ort“. Grundsätzlich könne jedoch keine Bank ausschließen, dass kleinere SB-Stellen schließen werden, wenn diese nicht mehr ausreichend frequentiert und damit nicht mehr wirtschaftlich wären. „Glücklicherweise verfügt die Volksbank in Schaumburg über ein so enges Geschäftsstellennetz, dass selbst bei Schließungen in drei bis sechs Kilometer Entfernung bereits die nächste Bankstelle zu erreichen ist“, so Tellermann. Neben den digitalen Angeboten würde die Volksbank gerade älteren Kunden anbieten, ihre Bankgeschäfte über die telefonische Servicestelle abzuwickeln. „Überweisungen, Daueraufträge und vieles mehr können unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen telefonisch, werktags von 8 bis 18 Uhr, in Auftrag gegeben werden“, so Tellermann.
Den Aussagen der Volksbank, mit Ausnahme der Filialschließungen, kann sich die Vorsitzende der Senioren-Union anschließen. „Viele ältere Personen können kein Auto mehr fahren und haben dadurch Probleme, an ihr Geld zu kommen. Auch wenn die Überweisung per Telefon angeboten wird, ist es für manche Personen schwierig, ihre IBAN dazu zu nennen“, konstatiert Harmening. „Ich persönlich benötigte neulich bei der Umstellung des Online-Banking auch Hilfe, die ich bei der Volksbank auch sofort bekommen habe“, stellt sie lobend fest.
Auch die Stadt Bückeburg als Verwaltungsbehörde sieht das Dilemma zwischen Digital-Auftrag und den Sorgen der Älteren: „Es wird weiterhin möglich sein, die Leistungen der Verwaltung persönlich und im Kontakt mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Anspruch zu nehmen. Die Verwaltung hat an dieser Stelle auch eine soziale Funktion“, versichern Bernd Meier, Fachgebietsleitung Zentrale Dienste, und Bürgermeister Axel Wohlgemuth.
Doch konkrete Handlungsansätze, um Senioren hier mitzunehmen und die sofort greifen würden, seien derzeit noch nicht im Gange. „Bei Bedarf werden, zum Beispiel mit dem Seniorenbeirat, Möglichkeiten und Lösungen abgestimmt, um auch älteren Mitbürgern Möglichkeiten aufzuzeigen. Hier werden gegebenenfalls auch andere Bildungsträger wie beispielsweise die VHS Hilfestellung geben können. Entsprechende Kursangebote würde die Senioren begrüßen, so Harmening. Dennoch: „Bei der Stadt Bückeburg sehe ich Verbesserungspotenzial, da mir die Aussagen zu allgemein sind. Man müsste die älteren Personen mehr mit einbeziehen und besser informieren“.
(Text & Foto: Nadine Hartmann)
Weitsichtig planen
(ein Kommentar von Nadine Hartmann)
Die Digitalisierung lauert an allen Ecken, so scheint es dieser Zeit. Vor allen während der Pandemie-Hochphase, in Zeiten von Homeschooling, geschlossenen Behörden und eingeschränkten Öffnungszeiten und Vor-Ort-Beratung bei den Unternehmen wurde ersichtlich, wie nützlich ergänzende, digitale Angebote sein können. Und dennoch waren alle froh, als die Schalter, Büros und Behörden wieder öffneten, mit persönlichem Kontakt Dinge erledigt werden konnten.
Dennoch haben die Kommunen einen Digital-Auftrag, den es bis 2024 umzusetzen gilt – wenn auch die meisten von ihnen dies nicht bis zum Stichtag in Gänze schaffen werden. Doch während mit einem Auge der Fortschritt begutachtet und weiter vorangetrieben wird, sollte das andere Auge nicht dier Bedürfnisse der Kunden, der Bürger, der Menschen außer Acht lassen. Die Stadt agiert da ein wenig zögerlich, wenn auch im Bewusstsein der sozialen Funktion: Zwar schreitet der Digitalisierungsprozess in der Verwaltung deutlich voran, die Vermittlung dieses Prozesses lässt aber aus Seniorensicht zu wünschen übrig. Die Seniorenunion-Vorsitzende wünscht sich verständlicherweise mehr Information zu diesen Themen, sodass rechtzeitig reagiert werden könne, wenn die älteren Bürger „nicht mehr Schritt halten können“. So würde der Bedarf an weiteren Hilfestellungen schnell erkannt und wäre mit einer entsprechenden Reaktion gebannt, beispielsweise mit einem städtischen Einführungskurs in die relevanten, digitalen Verwaltungsangebote – bevor sich die älteren Mitbürger gänzlich abgehängt fühlen.