Stellschrauben setzen und Stereotypen abzubauen: Schaumburger Politikerinnen äußern sich zum Weltfrauentag
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(Landkreis) Zum Weltfrauentag haben wir bei einigen Politikerinnen im Landkreis nachgefragt: Wie ist ihre Vision von Gleichberechtigung und wo müssten die Stellschrauben gesetzt werden, um getreu des diesjährigen Internationalen Frauentagsmottos „BreakTheBias“ Stereotypen, Vorurteile und Geschlechterungleichheit abzubauen?

Obernkirchens Bürgermeisterin Dörte Worm-Kressin sowie Sandra Schauer, Fraktionsvorsitzende der Bückeburger SPD im Rat, haben ihre persönlichen Ansichten mit uns geteilt.

Sandra Schauer hat seit dieser Legislaturperiode nicht nur den Fraktionsvorsitz inne, die gelernte Zimmerin und selbstständige Innenarchitektin leitet ebenfalls den Bauauschuss der Stadt Bückeburg: „Seit mehr als 100 Jahren kämpfen Frauen für ihre Rechte, Gleichberechtigung und Selbstbestimmung. Aber am Ziel sind wir noch lange nicht. Die Pandemie hat ihren Beitrag dazu geleistet und uns beim Thema Gleichberechtigung auch gefühlt eher ins 20. Jahrhundert zurück gebeamt. Die Monate im Lockdown bedeuteten gerade für Mütter und vor allem Alleinerziehende mit Job oder Homeoffice, Kinderbetreuung und oder Pflege, Homeschooling und Haushalt, eine große Überbelastung.
 Wenn wir eine wirkliche Gleichberechtigung wollen, müssen wir über finanzielle Unabhängigkeit und wirksame Regelungen gegen Altersarmut von Frauen reden, aber auch über eine Entlastung im Haushalt, z.B. durch einen finanziellen Zuschuss für eine Haushaltshilfe.
 Die erreichen wir zum einen mit gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit. Aber auch hier ist kein Fortschritt zu sehen, denn in den letzten vier Jahren ist die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen wieder deutlich größer geworden.

Wir brauchen eine zeitgemäße Kinderbetreuung mit flexibleren Betreuungszeiten und Öffnungen von 6 bis 20 Uhr, in der Krippe, Kindergarten und Grundschule. Nur dann haben Eltern und vor allem Frauen die Chance ihren Beruf in Vollzeit auszuüben, das gilt auch fürs Handwerk oder den Schichtdienst.
 Ich wünsche mir, dass endlich politische Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, die eine echte Gleichstellung im Berufsleben bringen. Wir müssen berücksichtigen, dass nicht jede Frau Anwältin oder Ärztin werden möchte und Frauen gerade Berufe in der Sorgearbeit wählen, weil sie ihnen Spaß machen. Wie wichtig diese Berufe für unsere Gesellschaft sind, hat die Pandemie gezeigt. Typische Frauenberufe brauchen echte Wertschätzung statt einmaliger Bonuszahlungen. Mit griffigen Maßnahmen müssen endlich die Löhne der Arbeitsbelastung angepasst und die Arbeitsbedingungen verbessert werden.

Sandra Schauer, Fraktionsvorsitzende der SPD Bückeburg und Vorsitzende des Bauausschusses. (Foto: pr)

Für Familien wäre es zudem ein echter Gewinn, weil es eine partnerschaftliche Rollenteilung ermöglicht und damit auch eine gerechte Verteilung der Sorge- und Hausarbeit.
 Wir brauchen mehr aktive Frauen in der Politik, damit politische Themen, die eher die Lebensrealitäten von Frauen betreffen, einfacher auf die politische Agenda gesetzt werden. In Bückeburg sind von 32 Ratsmitgliedern gerade mal sieben Frauen vertreten und so viele waren es in den 90er Jahren schon einmal. Es gibt zu wenige Frauen, zu wenig junge Leute und zu wenig Partizipation und leider immer noch zu viele Vorurteile. 
Da wünsche ich mir mehr Mut von Frauen und dass sie sich nicht mehr unter Wert verkaufen. Wenn wir endlich eine echte Gleichberechtigung erreichen wollen brauchen wir mehr Solidarität, Unterstützung und Förderungen, gerade auch von anderen Frauen, aber gefordert sind wir letztendlich alle. Dann sind auch Werkzeuge wie Quotenregelungen total überflüssig.

Was mich auch ärgert, sind die Rollenklischees, mit denen unsere Kinder überschüttet werden. Natürlich ist es okay wenn Mädchen Rosa toll finden und Jungen Dunkelblau. Aber genauso okay ist es doch wenn ein Junge pinke Einhörner liebt oder ein Mädchen einen blauen Dinosaurier-Pulli trägt. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass wir die Rollenklischees irgendwann mal wieder dahin befördern, wo sie hingehören, in die Steinzeit.

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Meine Wünsche zum Weltfrauentag schreibe ich unter dem Eindruck der Bilder des Krieges in der Ukraine. Die gesehenen Interviews und Fotos von Frauen, die ihr Zuhause, ihre Familie und Freunde, ihre Männer und Söhne zurücklassen mussten und Kindern, die sogar alleine unterwegs sind, um an einen sicheren Ort zu kommen, bewegen mich zutiefst. Sie machen mich wütend und daher ist mein größter Wunsch zum internationalen Weltfrauentag: Frieden. Frieden und Freiheit.
 Und so scheint sich auch hier Geschichte zu wiederholen. Am 8. März 1917 sind in St. Petersburg massenhaft Frauen unter dem Motto ´Frieden und Brot!´ auf die Straße gegangen.“

Obernkirchen: Bürgermeisterin Dörte Worm-Kressin zum Weltfrauentag

Seit vergangenen Jahr ist Dörte Worm-Kressin Bürgermeisterin und Verwaltungschefin der Stadt Obernkirchen mit rund 9240 Bürgerinnen und Bürgern – davor war sie die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt und weiß somit nur zu gut um das Thema Gleichberechtigung. In der Obernkirchener Verwaltung arbeiten mehrheitlich, und zwar 70 Prozent, Frauen. Davon sind rund 30 Prozent in Vollzeit und 70 Prozent in Teilzeit beschäftigt.

„Menschen sollen unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft und ihrer Weltanschauung die gleichen Chancen und Möglichkeiten erhalten, sich an Gesellschaft, an gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen. Oft ist dies noch nicht ausreichend der Fall. Gerade im politischen Engagement sind Frauen immer noch unterrepräsentiert, obwohl sie die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. Politisches Engagement zielt aber darauf ab, die Lebensverhältnisse der Menschen zu verbessern und Missstände zu beseitigen. Um hier die nachhaltigen und passenden Lösungen zu finden und zu entwickeln und umzusetzen, ist es erforderlich dass alle Mitglieder der Gesellschaft sich beteiligen können und gesehen werden. Sonst besteht die Gefahr an den Bedürfnissen der Menschen in der Politik vorbei zu arbeiten.

Seit 1911 wird der „Internationale Tag der Frauen“, von Frauen, mit Frauen gefeiert. Weltweit wird auf Frauenrechte und die Gleichstellung der Geschlechter aufmerksam gemacht wird. Der Tag soll die bisherigen Errungenschaften der Frauenrechtsbewegung feiern, die Aufmerksamkeit auf bestehende Diskriminierung und Ungleichheiten richten und dazu ermuntern, sich für eine Geschlechtergerechtigkeit einzusetzen.

2022 lautet das Thema der Vereinten Nationen zum Internationalen Frauentag, auf englisch ´International Womens Day´ genannt, ´Break the Bias´ (auf deutsch: „Brecht (Stoppt) die Voreingenommenheit“). Ein Thema, das statische Prozesse aufbrechen soll und die Vielfalt der Möglichkeiten, die Offenheit für freie Entwicklungen für alle Menschen in den Fokus rückt. Yes we can and yes we do! – meine Vision ist, dass dies eine wirkliche Selbstverständlichkeit wird, im aktiven Sein und in der Akzeptanz durch Dritte!“

Dörte Worm-Kressin, Bürgermeisterin von Obernkirchen. (Foto: nh)

(Text & Fotos: Nadine Hartmann, pr)

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