Ärzteversorgung in Schaumburg „derzeit noch gut“: Bückeburg im grünen Bereich, Rinteln gilt als Sorgenkind
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(Landkreis/Bückeburg) Die Realität „auf dem Papier“ und die subjektiv gefühlte können sich oft frappierend unterscheiden.

Dass dies vor allen Dingen beim Thema Ärztemangel in der Region Schaumburg der Fall ist, stellen die Mitglieder und Gäste der Seniorenunion auf der jüngsten Informationsveranstaltung zum Thema fest. Referent Henning Schwan, Assistent der Geschäftsführung der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KV), schlüsselte auf, wie die Ärztestruktur und Statistik im Landkreis aktuell aussehen und wie sich Bedarf und Versorgungsgrad berechnen.

Die gute Nachricht vorweg: Derzeit ist es um die Ärzteversorgung in Schaumburg noch gut bestellt. Doch die Altersstruktur der Ärzte sowie Nachwuchssorgen könnten dies in Zukunft ins Wanken bringen. Außerdem gibt es auch unter den einzelnen Kommunen deutliche Unterschiede hinsichtlich der Haus- und Fachärzteversorgung.

Ist-Zustand „auf dem Papier“

Die Bedarfsplanung für räumliche Bereiche wie den Landkreis Schaumburg und seine Kommunen bewegt sich in festgelegten Versorgungsgraden, die angeben, im welchem Maße diese Planungsgebiete ärztlich versorgt sind anhand des Verhältnisses Ärzte pro Einwohner. Ab einem Versorgungsgrad über 110 Prozent spricht die Kassenärztliche Vereinigung von einer Überversorgung und es gilt für dieses Gebiet ein Einstellungsstopp für weitere Ärztestellen. Ab 50 Prozent (Fachärzte) beziehungsweise 75 Prozent (Hausärzte) hingegen gilt eine Unterversorgung, wie Henning Schwan erläutert. Die allgemeine Berechnungsgrundlage für die Bedarfsplanung geht von 1.609 Einwohner pro Arzt aus, diese kann jedoch von Region zu Region unter anderem aufgrund demografischer Faktoren noch variieren. In Schaumburg kommen auf 158.391 Einwohner 102,25 Ärztestellen.

Henning Schwan (li.) referierte auf Einladung der Seniorenunion-Vorsitzenden Ruth Harmening (re.) zum Thema Ärtzemangel in Schaumburg.

Regionale Unterschiede in Versorgung

In den einzelnen Planungsbereichen schwankt die Versorgungsquote jedoch stark: Während im Mittelbereich Bückeburg nahezu eine Überversorgung (109,5 Prozent) mit 18,75 Hausärzten auf 26.231 Einwohner herrscht, lediglich eine halbe Stelle sei noch zu besetzen, droht im Planungsbereich Rinteln eine Unterversorgung. Hier kann mit 14 Ärzten auf 25.519 Einwohner nur eine Versorgungsquote von 85,1 Prozent erreicht werden. 4,5 Hausärztestellen sind hier unbesetzt. Stadthagen weist einen Versorgungsgrad von 99,4 Prozent auf, Bad Nenndorf erreicht mit nur zwei unbesetzten Stellen 102,7 Prozent. „Rinteln ist unser Sorgenkind in Schaumburg mit deutlich unter 100 Prozent Versorgung“, räumt Schwan ein. Generell sei im Landkreis durchaus noch Bedarf an Hausärzten. Die fachärztliche Versorgung sei mit über 100 Prozent zufriedenstellend, so der Experte der Kassenärztlichen Vereinigung.

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Gefühlte Realität

Das diese sogenannte Überversorgung von den Patienten oft so nicht empfunden werde, wurde in den Zuschauerbeiträgen deutlich. Einige Gäste berichteten von enormen Schwierigkeiten, einen Hausarzt zu finden, da nahezu alle Hausärzte in beispielsweise Bückeburg ausgelastet seien. „Die gefühlte Realität und die auf dem Papier unterscheiden sich dann doch, das wissen wir auch“, räumt Henning Schwan ein. Auf der Suche nach einem freien Arzt riet Schwan alle Praxen im Planbereich in 30 Kilometer Umkreis abzutelefonieren, die Terminservicestelle 116 117 anzurufen oder, wenn gar nichts mehr geht, die Kassenärztliche Vereinigung zu kontaktieren. Wegen des Alters darf ein Arzt übrigens keine Patienten ablehnen, informiert Schwan. Ob es denn auch Älteren, die nicht mobil seien, zumutbar sei, 30 Kilometer zu fahren, wollte ein Gast wissen. „Würde ihrer Mutter das gefallen und sind sie damit einverstanden?“. „Zumutbar, ja. Aber einverstanden: Nicht unbedingt. Wir finden das als KV auch nicht so gut, aber so ist die Gesetzeslage“, räumt Schwan ein.

Ärzte werden älter

Was Sorgen für die Zukunft bereitet, ist die Altersstruktur der vorhandenen Ärzte: Von den 102,25 Hausärzten in Schaumburg sind 45 über 60 Jahre alt, das Durchschnittsalter beträgt 54,5 Jahre. Die Prognose für 2025 sage voraus, dass zu diesem Zeitpunkt 44 Prozent der Hausärzte das Rentenalter erreicht hätten und nachbesetzt werden müssten. Doch dieser niederlassungswillige Ärztenachwuchs muss erstmal gefunden werden. Die KV beobachtet jedoch stagnierende Zahlen bei den niedergelassenen Vertragsärzten, der Trend gehe hin zu mehr Angestelltenverhältnissen in Zweigpraxen oder Ärztehäusern. Um einen neuen Arzt dazu zu bewegen, sich in dieser Region mit seiner Praxis niederzulassen, müssen die ländlichen Regionen gezielt ihre Vorteile kommunizieren, zudem versucht auch die KV eine Niederlassung bereits im Studium zu forcieren.

„Die gefühlte Realität und die auf dem Papier unterscheiden sich, dass wissen wir auch“, räumt Henning Schwan, Assistent der Geschäftsführung der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen, ein.

Anreize schaffen

So sollen Medizinstudenten bereits im Studium mit Stipendien, verbunden mit einem Niederlassungsversprechen in ländlichen Regionen mit schlechter Versorgung, oder Förderungen dazu animiert werden, sich für eine Laufbahn als Hausarzt zu entscheiden. Dies sind natürlich keine kurzfristigen Lösungen, vergehen von Studium bis zur Niederlassung doch im Schnitt zehn Jahre. Doch auch bereits ausgebildete, niederlassungswillige Ärzte sollen mit Niederlassungsseminaren, Sicherstellungszuschlägen und Investitionskostenzuschüssen zu einer Niederlassung in den prekären Gebieten veranlasst werden. „Wenn es so richtig arg ist, finden sich mit diesen Instrumenten und einer Ausschreibung die richtigen Ärzte“, so Schwan. Bei dieser Suche wird auch aktiv auf die Kommunen und Gemeinden gesetzt: „Es gibt Punkte, die die KV nicht in der Hand hat und es gibt viele weitere Unterstützungsmöglichkeiten, um Ärzte in die Region zu holen“. In manchen Fällen geht die Initiative auch von den Ärzten selber aus: So haben sich in Stadthagen drei vakante Stellen „von allein“ besetzt, drei niederlassungswillige Hausärzte werden dort nun anfangen.

(Text und Fotos: Nadine Hartmann)

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