Bauerngut-Erweiterung in Bückeburg: Der Diskussionston wird schärfer, die Sorgen der Mitarbeiter größer
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(Bückeburg) Die Bemühungen um eine sachliche Diskussion um die mögliche Erweiterung der Firma Bauerngut im Hasengarten laufen nicht wirklich rund. Der Ton wird stetig rauer – spätestens seit Ende vergangener Woche bekannt wurde, dass sich das Unternehmen inzwischen auch in anderen Kommunen nach alternativen Standorten umsieht, falls es in Bückeburg nicht klappen sollte. Dann könnte Bauerngut auch das gesamte Werk verlegen, 800 Arbeitsplätze sind akut bedroht.

Doch das notwendige Bauleitverfahren benötigt Zeit – Zeit, die das Unternehmen vielleicht nicht mehr bereit ist, abzuwarten. Einige Kritiker befürchten derweil weiter eine Zerschneidung der Landschaft und den Verlust der „schönen Bückeburger Ansicht“ und versuchen weiter, Mitarbeiterzahlen kleinzureden.

„Das wird kein kleiner Bebauungsplan“

Auch Bürgermeister Reiner Brombach war nicht überrascht über diese Nachricht, die ihn am Donnerstag erreichte. Aus wirtschaftlicher Sicht könne er nachvollziehen, dass nach einem „Plan B“ geschaut werde, wenn auch die Stadt und Verwaltung mit Hochdruck am Verfahren arbeiten und entgegen der Vorwürfe des Unternehmens das Projekt nicht herauszögern würden: „Die Gutachten sind kompliziert und das wird auch kein kleiner Bebauungsplan. Wir werden alles tun, damit es zu einer Realisierung kommt. Meiner Auffassung nach kann es gelingen, den Bau in die Landschaft einzufassen, obgleich der Bau natürlich kolossal bleibt. Die Gegner machen es sich aber hier recht einfach und sehen die Sache nur aus einem Blickwinkel. Wir müssen aber alles abwägen, ob man so einen Betrieb und die Arbeitsplätze verlieren möchte. Da sollte und muss auch der Schaden für das Gemeinwohl gesehen werden. Ich hoffe auf eine kluge Entscheidung“, so der Verwaltungschef auf Anfrage. Während sich die Grünen in einer Pressemitteilung weiter gegen einen Bau positionieren, spricht sich unter anderem die SPD ausdrücklich für den Bau und damit den Erhalt der Arbeitsplätze aus. Währenddessen möchte die CDU erst die Auswertung der eingegangenen Äußerungen der Bürger und Träger öffentlicher Belange abwarten, auch die Freien Wähler fragten im jüngsten Bauausschuss erneut danach.

Entscheidung steht aus

Nun wird es also ungemütlich in der Causa Bauerngut. Der Verlust von vor allen Dingen den zahlreichen Arbeitsplätzen würden die Stadt und die Bevölkerung schwer treffen. Doch handfeste Entscheidungen stehen noch aus, wie Bauamtsleiter Björn Sassenberg im jüngsten Bau- und Umweltausschusses beim Sachstandsbericht zu Bauerngut berichtet. Unter anderem das Verfahren zur Entlassung aus dem Landschaftsschutzgebiet benötige seine Zeit. Der entsprechende Antrag wurde an den Landkreis bereits übermittelt, müsse aber noch um die letzten Gutachten finalisiert werden. Ende Juni wird dieser vom Landkreis im Umweltausschuss beraten und im anschließenden Kreisausschuss soll dann eine endgültige Entscheidung fallen, ob die Teilaufhebung des Landschaftsschutzes für das betreffende Gebiet erlaubt werde.

Björn Sassenberg, Fachgebietsleitung Planen und Bauen, erläutert den Sachstand im Verfahren um die Bauerngut-Erweiterung. Eine Entscheidung für oder gegen die Entlassung aus dem Landschaftsschutzgebiet soll Ende Juni fallen.

Des Weiteren sind umfangreiche Gutachten notwendig, so muss der Umweltbericht vor einem Aufstellungsbeschluss noch abgeändert werden, Ausgleichsflächen für den Artenschutz sind notwendig, das entsprechende Gutachten hat eine Relevanz der Feldlerche festgestellt. Das Verkehrs- und das Bodengutachten ist fertiggestellt, ebenso das Schallschutz-, Erschließungs- und Entwässerungsgutachten. So wurden keine Auswirkungen auf die Hofwiesenteiche festgestellt, für die Erschließung würde die Straße nach Westen aufgeweitet. „Das ist eine Zahn-um-Zahn-Planung und wurde auch so mit Bauerngut kommuniziert“. In einer Bau- und Umweltausschusssitzung noch vor dem Sommer sollen alle zusammengetragenen Fakten und auch die Ergebnisse aus den Eingaben der Bevölkerung erörtert werden.

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Große Sorgen bei Belegschaft und Betriebsrat

Was hier so sachlich verpackt wurde, ist für die Mitarbeiter von Bauerngut in dieser Woche zu einem Albtraum geworden. Die Sorge ist groß, dass die Firma den Standort aufgeben könnte. „Hier arbeiten zum Teil ganze Familien, manche sind hier seit 20, 30 Jahren. Wir machen uns Sorgen um unseren Arbeitsplatz. Ich habe in dieser Woche Kollegen gesehen, die deswegen sehr verstört waren“, erzählt ein Mitarbeiter, der unbekannt bleiben möchte, unserer Zeitung. Diese Sorge sehen auch zahlreiche Ratsmitglieder, so versuchte auch Dieter Everding (SPD) im Ausschuss noch einmal klarzustellen: „Wird auch über die Beschäftigten nachgedacht oder heißt es nur: Mich betrifft das nicht? Diese Menschen haben Angst“, so der Ratsherr.

Das Grundstück am Hasengarten ist komplett ausgeschöpft, seit Jahren äußert das Unternehmen Erweiterungsbedarf, den es im schlimmsten Falle auch in anderen Kommunen umsetzen würde. Dann wären auch die über 800 Arbeitsplätze vor Ort akut bedroht.

Auch der Betriebsrat von Bauerngut meldet sich zu Wort und kämpft für die Belange der Belegschaft: „Mit Entsetzen haben wir die Neuorientierung von Bauerngut aufgenommen, die sich im Zusammenhang mit dem geplanten Bauvorhaben fast zwangsläufig für unser Unternehmen ergeben hat. Wir als Betriebsrat von Bauerngut sehen uns in der Verantwortung für die mehr als 800 fest angestellten Mitarbeiter. Wir werden für unsere Kollegen und ihre Arbeitsplätze kämpfen und alles unternehmen, um den kompletten Erhalt an diesem Standort zu sichern. Deshalb fordern wir von der Bückeburger Politik kurzfristig ein klares Bekenntnis sowohl zum Erhalt des seit über 30 Jahren ansässigen Standortes als auch zum geplanten Neubauvorhaben! Die Problematik ist bereits seit 2019 in den politischen Gremien bekannt. Alle Informationen von Seiten Bauerngut liegen offen auf dem Tisch. Wir wollen jetzt endlich Klarheit. Nicht nur für unsere Kollegen selbst, sondern auch für ihre Familien, die zum Großteil hier in Bückeburg leben“, informiert Betriebsratsvorsitzender Michael Haftmann in einer Pressemitteilung. Auch Bau- und Umweltausschussvorsitzende Sandra Schauer (SPD) stellte in der Einwohnerfragestunde, in der ein anwesender Kritiker die Zahl der Arbeitsplätze in Frage stellte, klar: Egal ob es 200 wären oder eben 800 Plätze – diese Arbeitsplätze sind wichtig und erhaltenswert. Hier muss sensibel gearbeitet werden, zudem sind auch heimische Firmen mit dem Betrieb verflochten“.

Drohungen gegen Politiker

An vielen Stellen liegen die Nerven in der Causa Bauerngut inzwischen blank, so wurde in dieser Woche ebenfalls bekannt, dass Unbekannte der Ratsfrau Cornelia Laasch (Grüne) einen Drohbrief haben zukommen lassen, in dem allen Grünenpolitikern beim Wegzug von Bauerngut gedroht werde. Die Mitglieder im Bau- und Umweltausschuss zeigen hier klare Kante und Einigkeit: „Auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind, respektieren wir uns gegenseitig, so funktioniert Demokratie. Wir müssen uns gemeinsam gegen Hass und Hetze stellen“, so Vorsitzende Sandra Schauer. Dem stimmten die Mitglieder geschlossen zu. Auch der Betriebsrat von Bauerngut bezieht dazu Stellung: „Gleichzeitig distanzieren wir uns klar von den veröffentlichten Drohungen gegen eine Bückeburger Regionalpolitikerin. Wir lehnen jede Form von Gewalt und Gewaltandrohung ab“.

Der Erweiterungsbau soll eine Höhe von rund 26 Metern aufweisen und gegenüber des Tierheims gebaut werden. Kritiker fürchten um die schöne Aussicht und eine Zerschneidung der Landschaft.

Währenddessen versuchen Kritiker weiter, die Beschäftigungszahlen kleinzureden, die Zerschneidung der Landschaft zum obersten Kriterium zu erheben und die hohen Gewerbesteuereinnahmen runterzurechnen, um für ihren Standpunkt gegen einen Bau zu werben. So auch in der Einwohnerfragestunde: einem ausladendem Vortrag ohne die obligatorische Frage eines anwesenden Anwohners musste Einhalt geboten werden mit einem klaren Statement: „Die Arbeitsplätze sind das, was uns wichtig ist, nicht primär die Steuer. Wir machen einen Bauleitplan und werden da alles und alle Interessenlagen in die Waagschale legen“, stellt Björn Sassenberg klar.

(Text und Foto: nh / Grafik: Bauerngut)

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