„Ein Jahrhundertpaar“ im Hubschraubermuseum Bückeburg
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(Bückeburg) Ohne seine Frau, sagte Helmut Schmidt einmal, wäre er nur die Hälfte gewesen. Diese Einheit einmal genauer in den Blick zu nehmen, ist Ziel und Zweck von Lehbergers neuem Buch „Die Schmidts“. Einundachtzig Jahre ihres Lebens kannten sich die beiden, fast siebzig Jahre waren sie verheiratet, und mehr als vierzig Jahre davon waren sie auch ein Paar des öffentlichen Interesses so Reiner Lehberger, Biograf.

Kennengelernt hatten sie sich am 3. April 1929, dem Tag ihrer Einschulung auf der Lichtwarkschule in Hamburg. Diese Reformschule, an der viele linksorientierte, die Demokratie befürwortende Lehrer unterrichteten, war für beide prägend. Sie lieferte das Bildungsfundament, auf dem sie ihre weiteren Schritte gehen konnten: Loki, aus einem Arbeiterhaushalt stammend, wollte Grundschullehrerin werden. Helmut studierte nach dem Zweiten Weltkrieg Volkswirtschaft. Die Nazi-Zeit standen sie zusammen, den Krieg als Paar durch.

Rund 150 Zuhörer kamen zur Lesung der VHS ins Hubschraubermuseum Bückeburg.

Im Buch schreibt Lehberger: „‚Es war eine Mischung aus Angst und Pflichtgefühl, welche die große Mehrheit aller Deutschen tatsächlich und objektiv zu Beihelfern des Hitlerschen Krieges hat werden lassen'“, schreibt Helmut Schmidt 1992 und rechnet sich selbst mit ein. Es ist eine ehrliche Bilanz, wenn auch die Frage nach dem „Nicht-Wissen“ oder „Nicht-Wissen-wollen“ über die Verschleppung und Ermordung der Juden nicht nur die eigene Tochter der Schmidts in Gesprächen mit den Eltern weiter beschäftigt hat.“

Nach dem Krieg nahm die Karriere des jungen Sozialdemokraten Helmut Schmidt rasch Fahrt auf, zunächst in Hamburg als Innensenator, dann in Bonn. Die Bonner Jahre sind die entscheidenden für das Paar: Nicht nur, weil sie Schmidt ins Kanzleramt führten, und das in einer Zeit vieler Herausforderungen – nicht zuletzt stand der Staat im Visier der RAF. Aber es waren für die beiden auch schwere Ehekrisen zu überstehen – Helmut Schmidt hatte mehrere außereheliche Beziehungen, wollte seine Frau aber keinesfalls verlassen. Loki Schmidt erkrankte daran und trat aus dem Staatsdienst aus. Sie gewann aber ein eigenständiges Profil als sich politisch einmischende und ihre eigenen Interessen als Naturforscherin verfolgende Frau. Sie erweiterte die Rollendefinition einer Kanzlergattin enorm. Die Ehe hielt, was vornehmlich Loki Schmidt zu verdanken war – Helmut Schmidt ließ das später immer wieder durchblicken.

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Nach außen wirkten die beiden Schmidts so erfolgreich und sympathisch, dass der Publizist und einstige Chefredakteur der „Zeit“, Theo Sommer, sie einmal als das „Paar der Bonner Republik“ bezeichnet hat.

Reiner Lehberger macht in seinem gründlich erarbeiteten, seinen Protagonisten sehr nah kommenden Buch am Ende klar, dass die Schmidts es durchaus verstanden haben, sich als Traumpaar zu inszenieren. Um ihren Mythos zu nähren, nutzten sie ihre guten Kontakte zu den Medien. Und sie gründeten bei Zeiten eine Stiftung als weiteres Instrument, wie Lehberger schreibt, zur Sicherung öffentlicher Wahrnehmung. Lehberger zeichnet in seinem lesenswerten Buch das genaue Bild eines lange miteinander vertrauten Paares, und er schildert dessen weit über das Private hinausreichende Wirkung sowie das Beziehungsgeflecht aus Freunden, Bekannten und Parteigenossen, die im Umfeld eine große Rolle spielten. So gelingt ihm nicht nur eine Doppelbiografie, sondern er erzählt auch von wichtigen Phasen der Bundesrepublik. (sh/Fotos: sh)

Reiner Lehberger las Passagen aus dem Buch vor.

Über den Autor: Reiner Lehberger wurde 1948 in Bochum geboren, er ist Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Hamburg und Mitbegründer des Hamburger Schulmuseums sowie pädagogischer Leiter des Bildungsprogramms der „Zeit“-Stiftung. Außerhalb von Fachkreisen erlangte er Bekanntheit durch seine Biografie über Loki Schmidt, erschienen im Jahr 2014, vier Jahre nach dem Tod der populären Frau von Ex-Kanzler Helmut Schmidt. Schon 2010 hatte er das Buch „Auf einen Kaffee mit Loki Schmidt“ veröffentlicht, und er hat mit ihr, die sich stark für botanische und pädagogische Themen interessierte, Ausstellungen und Projekte auf die Beine gestellt. Es lässt sich also ohne große Übertreibung sagen, dass Reiner Lehberger ein intimer Kenner des Lebens von Loki Schmidt ist – und damit geradezu prädestiniert war, eine Biografie auch des Paares Schmidt zu schreiben.

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